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Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
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ausgefallen war. Das ließ sich auch nicht einfach wieder auf die alten Leitungen umstellen – nicht nur die anfälligen Seekabel waren mit Sicherheit defekt, auch alle anderen Leitungen waren seit über zehn Jahren nicht gewartet worden. Und so war es nur eine Frage von Tagen, bis die Wirtschaft zusammenbrach. Einen Internetausfall hatte es in der Zeit vor den Toren ein paarmal gegeben, mit unzähligen Toten im Luft- und Straßenverkehr und vielen Milliarden Euro Schaden innerhalb weniger Stunden.
    Noch schneller würde sich der Wegfall des Stroms bemerkbar machen. Bernie hatte in Geschichte mal eine Vid-Präsentation über den großen Stromausfall von 2018 geschrieben, darum wusste er, dass zwei Tage die kritische Grenze für fast alles waren. Die meisten Einrichtungen mit Notaggregaten – Krankenhäuser, Wasserwerke – hatten für nicht mehr als vierundzwanzig Stunden Treibstoff. Kühlanlagen, Industrieproduktion … all das fiel dann aus. Städte wie Manhattan, die unter dem Meeresspiegel lagen, würden versinken, weil sie ohne die strombetriebenen Pumpen überschwemmt wurden. Und all das, weil der Strom in den letzten Jahren ausschließlich in den Wüsten, an den Küsten und vor allem auf dem Merkur produziert und durch die Tore transportiert worden war. Sogar die Solaranlagen, die nach der Energiewende um 2013 an jeder Ecke gebaut worden waren, hatte man verfallen lassen oder sogar abgebaut, weil man sie nach der Erfindung der Tore nicht mehr brauchte. Das rächte sich jetzt, und nur die, die direkt in der Wüste oder an der Küste lebten – und natürlich die Mobilen-Kommunen, die die dezentrale Stromerzeugung nie aufgegeben hatten –, hatten jetzt noch direkten Zugang zur Energie.
    Bernie konnte sich gut vorstellen, was alles wenige Kilometer von ihm entfernt geschah, auch wenn er es lieber nicht gewusst hätte. Städte ohne Strom und Wasser, die zu Todesfallen geworden waren, steigende Abwasserfluten, Gebiete ohne Nahrung und vergammelnde Nahrungsberge an Orten, wo kein Mensch sie fand, Krankheiten, für die es keine Medizin mehr gab, Hunger, Gewalt und Tod …
    Nur gut, dass es auf der Erde seit der Einführung der Tore wenigstens keine Kernkraftwerke und kaum noch chemische Industrie gab. Sonst wäre der GAU wohl kaum noch zu verhindern gewesen. All das, was die Menschen nicht in ihrer Nähe haben wollten, war auf den Mond oder – wenn es nicht gleich den ganzen Planeten gefährdete – in die gesperrte Zone oben in Kanada verlegt worden.
    Wenn man das alles bedachte, war Bernie hier in der Wildnis vermutlich noch am besten dran. Aber vielleicht machte er sich auch zu viele Gedanken. Vielleicht war alles gar nicht so schlimm. Vielleicht hatten die Rettungsdienste und Hilfswerke alles im Griff und die Menschen passten sich schnell an die neue Situation an. Wie auch immer: »Vielleicht« war kein Wort, mit dem Bernie viel anfangen konnte. Spekulieren war leicht, aber das Einzige, was zählte, waren Fakten. Und die würde er nur kennen, wenn er sich selbst ein Bild machte. Was er auf jeden Fall tun würde. Denn Bernie war einfach nicht geschaffen für die Wildnis – auch wenn er dank Karl inzwischen einen Johannisbeerstrauch von Christophskraut unterscheiden konnte.
    Es wurde Zeit, aufzubrechen.
    Aber wie sollte er bloß ein Radio aus einer Siedlung voller Outlaws klauen? Er musste sich etwas einfallen lassen, etwas unglaublich Cleveres und …
    Hinter ihm raschelte es und Bernie wäre fast gestorben vor Schreck. Er fuhr herum, in der Erwartung, den Bären zu sehen. Aber es war nur der Roachy. Doch irgendetwas stimmte nicht mit ihm.
    Bernie hatte jede der essbaren Pflanzen, die Karl ihm gezeigt hatte, holografiert und den Roachy am Morgen mit dem Auftrag losgeschickt, diese Pflanzen zu suchen, sie mit den fingerähnlichen Gliedern an seinen »Händen« auszugraben oder zu pflücken und sie in einer Tasche zu sammeln, die Bernie unter den vorderen Teil des dreigliedrigen Körpers gehängt hatte.
    Der Roachy hatte auch ganze Arbeit geleistet: Die Tasche war voll. Doch dafür hatte er einen hohen Preis bezahlt: Das hintere linke Bein war am zweiten Gelenk abgetrennt. Der Roachy konnte noch gehen, aber er bewegte sich langsam und unsicher.
    War das ein Bär gewesen oder ein Mensch? Oder irgendwas noch Gefährlicheres?
    Es machte keinen Sinn, darüber nachzudenken. Damit machte Bernie sich nur verrückt. Also konzentrierte er sich auf den beschädigten Roachy.
    Eine Weile ging es wahrscheinlich

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