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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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Wohnung vermietet werden sollte. Die Wohnung bestand aus einer kleinen Wohnküche, einem Schlafzimmer und einem kleineren Zimmer am oberen Treppenabsatz, davor war ein kleiner Flur mit Toilette und Waschgelegenheit. Bäder waren zu dieser Zeit noch Luxus. Auch in den Neubauten wurden in der Waschküche Badewannen aufgestellt, das Wasser wurde im Waschkessel heiß gemacht und dann mit Eimern in die Wanne geschüttet. Als ich meiner Mutter von der kleinen Wohnung erzählte, bat sie mich, einmal nachzufragen, ob wir die Wohnung mieten könnten. Frau Ganter und Gertruds Brüder Markus und Michael kannten mich ja schon länger, ihren Vater Alfons hatte ich des Öfteren auf der Baustelle gesehen. Frau Ganter meinte auf meine Anfrage bezüglich der Wohnung:
    »Wenn deine Mutter so ist wie deine Großmutter (sie kannten sich wohl) und dein Vater kein Trinker ist, sollen sie vorbeikommen und es mit uns besprechen.« Die Familie Ganter überzeugte sich dann selbst davon, dass ersteres zutraf und das zweite ausgeschlossen war. Meine Eltern bekamen also die Wohnung, und ich blieb in der Nähe meiner geliebten Großeltern. Als ich den Großeltern die gute Nachricht überbrachte, hatte ich das Gefühl, dass sich beide darüber freuten. War es doch gar nicht so einfach, eine Wohnung zu finden. Onkel Stephan und Tante Nina wohnten noch in der Siedlung, und Miriams Hochzeit sollte bald stattfinden, aber der Neubau für Stephans und Ninas Wohnung hatte sich etwas verzögert. Die Nachricht, dass Mutter eine Wohnung bekommen hatte, war für Stephan Grund, mich noch mehr zu demütigen.
    Eines Morgens beim Frühstück mit meinen Großeltern meinte er:
    »Na, du Bastard, ich denke, ihr habt eine Wohnung? Was suchst du eigentlich dann noch hier?« Oma hielt Opa am Arm fest, damit er nicht aufbrauste. Ich fing an zu weinen. Nach der Schule fragte ich Großmutter dann, was eigentlich ein Bastard sei.
    »Ist es denn etwas Schlimmes?« Ich dachte schon, es könnte mit den grauen Bussen zusammenhängen. Großmutter konnte mich zum Glück beruhigen. Großvater ging Stephan aus dem Weg, und ich wollte ihm auch nicht begegnen. Offiziell schlief ich ja nun bei meiner Mutter, tagsüber nach der Schule war ich viel bei Gertrud oder verbrachte die Nachmittage bei meinen Großeltern. Großvater überwachte noch immer meine Schulaufgaben. Manchmal hatte er auch eine kleine Arbeit für mich, wie etwa Beeren pflücken oder bei den Kaninchen helfen, was ich immer gerne tat. An das neue Zuhause konnte ich mich noch nicht gewöhnen. Oft tat ich abends so, als ginge ich früh zu Bett oder wollte noch, wie ich versicherte, etwas lesen. Doch wenn ich sicher war, dass meine Eltern schliefen, ging ich leise zur Garderobe, wo immer ein Mantel oder Ähnliches von mir hing. Mein Schulranzen stand in der Ecke griffbereit. So schlich ich mich die Treppe hinunter (einen eigenen Schlüssel hatte ich ja) und lief querfeldein zu den Großeltern, in der festen Annahme, dass Mutter es nicht bemerken würde. Meine Großeltern schliefen im Parterre, unter dem Schlafzimmerfenster war ein kleines Kellerfenster, erhöht durch einen niedrigen Sockel. Die Fensterläden waren nachts immer geschlossen. Wenn ich mich auf den Sockel stellte, konnte ich die Fensterläden berühren und fest daran klopfen. Ich sprang herunter, wenn ich merkte, dass das Fenster von innen geöffnet wurde.
    »Na, Hansli, gefällt es dir mal wieder nicht bei deiner Mutter?«, fragte Opa. Er zog mich durch das Fenster ins Schlafzimmer, ein Nachthemd hatte ich unter dem Mantel an, und kroch zwischen meine Großeltern in die Mitte des Bettes. Da fühlte ich mich immer gut aufgehoben. Keine Angst quälte mich und keine Fragen musste ich beantworten. Doch manchmal neckte Opa mich: »Hansli, schläfst du?«
    »Nein, Opa, ich schlafe nicht.«
    »Dann borg mir eine Mark!«
    Worauf ich antwortete: »Doch, bei Gott, Opa, ich schlafe!«

    Großmutter fing nun an zu kränkeln. Sie hatte ein offenes Bein, dazu stellte man hohe Blutzuckerwerte bei ihr fest. Medikamente gab es damals noch nicht gegen die sogenannte Zuckerkrankheit. Für das offene Bein stellte Großmutter selbst eine Salbe mit Kräutern aus ihrem Garten her. Diese wurde dann in leere Cremedosen gefüllt und weitergegeben. Unser Hausarzt holte regelmäßig Salben für seine Patienten ab, die mit Erfolg behandelt wurden, wie er sagte. Großmutter hatte mit einer blinden Homöopathin in Basel Kontakt, die auch gerne ihre Salbe verwendete. Diese hatte eine

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