Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
einen dunkelhäutigen Soldaten, der das Aufsteigen kontrollierte. Anton wollte mich gerade hochziehen, als der Mann mich aufforderte, mitzukommen. Anton nickte mir zu, also folgte ich ihm. Er hielt mir die Beifahrertüre auf.
»Steig ein.« Der Fahrer saß, mit beiden Armen auf dem Lenkrad abgestützt, als ich hochkletterte, er grüßte »hallo.« Also antwortete ich auch mit »hallo«. Der dunkelhäutige Soldat setzte sich neben mich und gab dem Fahrer das Zeichen zur Abfahrt. Es war der erste Mensch mit dunkler Haut, den ich zu sehen bekam, er drehte den Kopf zu mir und zeigte mit seinem Lächeln eine Reihe blendend weißer Zähne, ich glaube fast, dass ich darüber erschrocken bin. Seine Frage, ob ich Angst habe, ließ mich vermuten, dass er es bemerkt hatte.
»Nein«, sagte ich, »nein, ich habe keine Angst.«
»Wo kommst du her?«, wollten nun beide wissen, ich sagte es, was blieb mir anderes übrig? Ich merkte nur, dass sie erstaunte Blicke wechselten und mich dann von der Seite betrachteten. »Wie alt bist du?«, war die nächste Frage und »Wo willst du überhaupt hin?«
»Zu meinen Eltern nach Süddeutschland.«
»Wo ist das genau?«, wollte der eine wissen.
»An der Schweizer Grenze«, gab ich Auskunft. War das klug? War das falsch? Ich wusste gar nichts mehr, manchmal kam es mir so vor, als würde ich mein Ziel nie erreichen.
»Hast du Hunger?«, fragten sie mich, ich nickte nur und versuchte, meine Tränen zu unterdrücken.
Der dunkelhäutige Amerikaner bot mir Kekse und Schokolade an, das Cola riss ich fast gierig an mich. Ganz vorsichtig nahm ich ein wenig von diesen Köstlichkeiten, bis mich die beiden Soldaten ermunterten, doch alles aufzuessen. Nach einer Weile zog der Beifahrer seine Brieftasche aus der Uniformjacke und brachte Fotos zum Vorschein, er zeigte mir ein Foto seiner Frau und voll Stolz eines seiner drei Kinder. Als ich ihm dies zurückgab, betrachtete er es ganz vertieft.
»Du bist vielleicht bald zu Hause bei deinen Angehörigen, wir aber müssen noch eine Weile warten«, versprach er. Seine Worte gaben mir wieder neue Hoffnung, gestärkt durch das gute Gefühl, endlich einmal wieder satt zu sein.
Gespannt waren wir wohl alle auf diesem Transporter, wie es mit uns weitergehen würde. Fragen zu stellen, hatte ich einfach keinen Mut, mein Schulenglisch reichte gerade, um das Notwendigste zu verstehen und einige Fragen zu beantworten. Nach einem kurzen Stopp, bei dem sich die Soldaten berieten, ging es noch etwa eine Stunde am späten Nachmittag weiter. Dann wurde direkt an einer Straße auf einen zurückgelegenen Hof zugefahren. Ein lang gezogenes, einstöckiges Gebäude wurde sichtbar, es sah nach einer Dorfschule aus. Die Klappen gingen runter, man forderte uns auf, bitte abzusteigen. Wir betraten den Hofplatz, wir Frauen wurden in das Gebäude geführt, die Männer aber mussten wieder auf einen der Transporter steigen. Anton kam eilig herbei und brachte mir meinen Koffer.
»Mach es gut, meine kleine Frau, ich komme hierher zurück, warte bitte hier auf mich«, konnte er mir noch rasch zuflüstern, bevor auch er den Lastwagen bestieg.
Wie soll das denn weitergehen, dachte ich, wer weiß schon, wohin die Männer gebracht werden und wie lange wir hier wieder aufgehalten werden? In zwei großen Räumen mit Stroh auf dem Fußboden wurden wir Frauen untergebracht. Aber es gab wenigstens einen Waschraum mit mehreren Waschbecken, so konnten wir uns endlich mit fließendem Wasser waschen, das war Luxus pur.
11
Am Abend wurden wir Frauen noch zum Commander gerufen. Einzeln traten wir zur Befragung in sein Büro. Ich war als Letzte an der Reihe, der Commander fragte mich, ob ich Englisch spräche.
»Ein wenig«, sagte ich.
»Okay«, antwortete der Commander, »versuchen wir es.« Als Erstes kontrollierte er meine Papiere, fragte, wohin ich wolle und warum. Danach erlaubte ich mir die Frage, wie lange wir etwa hier bleiben mussten und was ich tun konnte, um weiterzukommen. Auf alle Fälle brauchte ich einen Passierschein, dieser galt nur für die jeweilige Zone. Inzwischen wusste ich, dass mein Heimatort von den Franzosen besetzt wurde, zum Glück hatte ich dies noch nicht erwähnt. »Wo bekomme ich einen Passierschein?«, war daher meine nächste Frage. Ich erfuhr, dass diese Papiere von der Kommandantur in Mellrichstadt ausgestellt wurden.
»Ist das sehr weit?«
»Es sind ca. acht Kilometer von hier, wir werden sehen. Wenn von uns alles überprüft ist, die Angaben jedes
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