Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
habe. Nachdem sie in Köln ausgebombt wurde, kam sie mit den Kindern nach Sachsen. Nun aber wollte sie zurück nach Köln zu ihren Schwiegereltern und dort auf den Vater ihrer Kinder warten. Das ältere der Mädchen sei jetzt schulpflichtig, aber das müsse zurückgestellt werden, bis sie wieder eine feste Bleibe hätten.
Von mir erzählte ich lediglich, dass wir in die Schweiz wollten, mein Mann und ich, es sei nun schon das zweite Lager, in das wir verfrachtet wurden. Genaues wollte ich nicht erzählen, sie saß noch zu fest in meinem Kopf, diese Parole: ›Achtung, Feind hört mit!‹.
Fünf Tage waren inzwischen vergangen, wir zählten nur die Tage, aber was für ein Wochentag es war, registrierten wir nicht mehr. Die beiden Mädchen hatten sich an mich gewöhnt, ich erzählte ihnen Geschichten aus meiner Kindheit, von meinen Katzen und den wunderschönen Kaninchen meiner Großmutter. Die ältere der beiden kuschelte sich sogar seit zwei Nächten an mich.
In der vergangenen Nacht kam mir plötzlich ein Gedanke, nachdem mir die junge Frau geklagt hatte, dass ihr langsam das Geld ausginge, wenn es nicht bald eine Lösung für sie und die Kinder gab. Sie hätte keine Erklärung dafür, warum sie immer noch hier festgehalten wurde.
Am Morgen nahm ich meinen Rucksack, der immer unter meinem Kopfkissen lag, hervor, zog aus der Papierrolle von Max ein paar Scheine heraus und drückte sie der verzweifelten Mutter in die Hand.
»Nein, nein«, meinte sie, »so war das doch nicht gemeint.«
»Nehmen Sie es, wenn ich Ihnen ein wenig damit helfen kann, so ist das für mich ein Weg, etwas gutzumachen, die Hilfe zurückzugeben, die ich bis hierher bekommen habe.« Stürmisch umarmte mich die junge Mutter mit Tränen in den Augen.
Als hätte ich es geahnt, dass es der richtige Moment war, der jungen Mutter etwas Geld zu geben, kam plötzlich Anton zur Tür herein. Seinen Rucksack geschultert, die Tasche in der Hand, suchte er nach mir. Ich hatte meinen Platz in der Nähe der Türe und entdeckte ihn dadurch sofort.
Auf meinen kurzen Ruf kam er eilig auf mich zu.
»Komm, wir müssen sofort zum Kommandanten, nimm alles mit und beeile dich, stelle jetzt keine Fragen, wir kommen jedenfalls nicht mehr zurück.« Schnell verabschiedete ich mich von den drei mir lieb gewordenen Menschen, aber mit einen unguten Gefühl in der Magengegend. Was stand uns nun bevor? Es blieb keine Zeit, sich Gedanken zu machen, Anton nahm mir den Koffer ab und drängte weiter.
Vor der Kaserne standen in den Wachhäuschen zwei Wachsoldaten mit aufgepflanzten Gewehren.
»Geh einfach ganz ruhig weiter«, sagte Anton leise zu mir, grüßte den Wachposten im Vorbeigehen und schon waren wir auf der Straße. »Nun aber Beeilung, wir müssen von der Straße runter und um die Ecke, da habe ich ein Quartier gefunden bei einer jungen Kriegerwitwe, für ein paar Tage können wir dort bleiben, bis sich alles beruhigt hat«, informierte er mich im Laufen. Was er mit Beruhigen meinte, wie er das alles organisiert hatte, habe ich nie erfahren. Langsam löste sich meine Starre und ich begriff, dass wir dem Lager entkommen waren.
Die Gastgeberin stellte sich mir vor. »Ich heiße Cornelia Schmitt, deinen Namen weiß ich bereits, ich schlage vor, dass wir uns duzen, es soll ja so aussehen, als gehörten wir zusammen.«
Zunächst brachte ich kein Wort heraus.
»Danke vielmals«, stammelte ich dann. Cornelia überließ mir das Bett ihres Mannes, Anton schlief im Wohnzimmer auf dem Sofa, es war einfach unfassbar. Gleich wurde Cornelia aktiv, sie schlug vor, auf das Meldeamt zu gehen, um Lebensmittelkarten für mich zu holen. Dies war noch überall möglich gegen Vorlage eines Ausweises, für den Monat Juni waren sie bereits fällig. Für Anton gab es keine Marken, d.h. er wäre aufgefallen dadurch, dass er keine Entlassungspapiere hatte. So mussten wir uns eben einschränken, trotzdem gab es an diesem ersten Tag endlich einmal ein Essen, das so richtig gut schmeckte. Cornelia hatte auch ihre Ration Lebensmittel eingekauft und zauberte ein Mittagessen aus Gehacktem in einer guten Soße, dazu gab es Kartoffeln und Salat. Es war mal wieder eine warme Mahlzeit, es schmeckte sehr gut, es war etwas lang Vermisstes, der ganze Körper fühlte sich danach an, als hätte er neue Impulse bekommen. Ich wurde danach so müde, zum Umfallen.
»Leg’ dich doch hin«, meinte Cornelia, »es stört dich niemand, schlaf’ einfach, das ist im Moment sicher das Beste für dich.« So
Weitere Kostenlose Bücher