Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Einzelnen identisch sind und diese auch in der amerikanischen Zone beheimatet sind, werden wir die Papiere besorgen, aber alles braucht seine Zeit.« Damit war ich entlassen und kehrte zu den anderen Frauen zurück.
Aber die Zeit war kostbar und knapp. Da kam mir ein Gedanke, scheinbar genau im richtigen Moment, jedenfalls stellte es sich ein paar Tage später so heraus.
Wir Frauen machten auf dem Hof täglich unsere Runden, plauderten und genossen die frische Luft. Die zwei US- Soldaten, die uns beaufsichtigten, wurden von uns oft ins Gespräch gezogen. So ergab sich für mich eine gute Gelegenheit, den einen zu fragen, in welcher Richtung Mellrichstadt lag. Er zeigte mir die Richtung und fragte, warum ich das wissen wolle.
»Ach«, behauptete ich mit Unschuldsmiene, »wenn ich nach Hause komme, möchte ich doch alles genau erzählen können, aber wer kennt schon Mellrichstadt, obwohl das doch sicher ein größerer Ort ist, oder?«
»Ich denke, nein«, sagte der Wachsoldat arglos, »man findet sich da leicht zurecht.« Mehr konnte ich ihn nicht ausfragen ohne aufzufallen. Nachdem ich auch noch feststellte, dass die Patrouille es nicht so genau nahm, wollte ich mein Vorhaben nicht mehr auf die lange Bank schieben und mich auf den Weg nach Mellrichstadt machen.
Am frühen Morgen gegen sechs Uhr hatte ich das Glück, unbemerkt auf die Straße zu gelangen. Im Gepäck hatte ich ein Stück Brot, das ich mir am Abend zuvor vom Munde abgespart hatte. Mein Brustbeutel unter der Kleidung, darin der Schulausweis, Bargeld und die Sparbücher, fiel durch eine Wolljacke nicht auf.
Mir war schon klar, dass mein Plan vielleicht nicht unbedingt gelingen würde, aber versuchen musste ich es einfach. Der erste Schreck war, als ich nach einem etwas längeren Marsch an ein Wachhäuschen kam, vor dem ein Wachsoldat mit geschultertem Gewehr stand und mich anhielt.
»Wo wollen Sie hin?«, fragte er, und ich gab mir die allergrößte Mühe, ihm verständlich zu machen, dass ich in dem Auffanglager von dem Commander den Auftrag erhalten hatte, mir in Mellrichstadt auf der Kommandantur einen neuen Passierschein zu besorgen. Als sei es selbstverständlich, stellte ich die Frage, ob es denn noch sehr weit sei. Bis zum Abend müsste ich wieder im Lager zurück sein.
»Na«, meinte der Wachsoldat, »dann mal guten Marsch, es sind noch etwa vier Kilometer bis dahin.«
Es ist schon erstaunlich, was man alles auf sich nehmen kann. Im Weitergehen war ich selbst über mich erstaunt, wie selbstverständlich und glaubwürdig ich alles dargelegt hatte. Ich war meinem Ziel wieder ein Stück näher gekommen.
Im Städtchen angekommen, schaute ich mich erst einmal um. Eine große Anzahl an Wartenden stand bereits vor dem Gebäude und ich schloss mich mit Hoffen und Bangen ihnen an. Ein Gebet schickte ich zum Himmel, mit der Bitte, es möge mein Unternehmen Erfolg haben. Die Parole hieß: Warten, warten, nochmals warten. Die Mittagszeit musste längst überschritten sein, der lange Marsch zurück in das Lager stand mir auch noch bevor, aber jetzt aufgeben? Der Gedanke wuchs, ließ mich nicht mehr los. Einfach aufgeben!, hämmerte es immer wieder in meinem Kopf. Der Durst quälte mich, es war sehr heiß, die Beine wurden von dem langen Stehen schwer. Wenn ich jetzt aufgab, konnte ich mich einfach in einen Straßengraben legen und schlafen. Die Augen vor der Welt verschließen, vielleicht waren dann, wenn ich wach wurde, keine Probleme mehr da. Aber wahrscheinlich kämen auf diese Art zu den alten noch ein paar neue hinzu.
Die beiden US- Soldaten, die vor dem Eingang postiert waren, nahmen von einem Dritten einen Befehl entgegen, den sie an die Wartenden weitergaben: »Für heute ist die Sprechstunde beim Commander beendet. Morgen ab acht Uhr ist der wieder anwesend.«
Ein Stöhnen erhob sich in der Warteschlange. Fragen hagelten auf die Türwächter nieder, diese konnten oder wollten aber keine weitere Auskunft geben. Zwei US- Soldaten wurden gerufen, um die aufgebrachten Menschen zu beruhigen. Was sollte ich nun tun? Zurück ohne Passierschein? Einfach undenkbar.
Schnell löste ich mich aus der Schlange, ging einfach auf die Wachposten zu und erklärte ihnen mit meinem gebrochenen Englisch, dass ich vom Kommandeur des Auffanglagers hierhergeschickt worden war, um mir einen Passierschein ausstellen zu lassen, ich müsste unbedingt am Abend im Lager zurück sein und hätte noch einen weiten Weg vor mir. Die Posten berieten sich, einer von ihnen
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