Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
deiner Mutter. Du wirst sie trösten müssen, Frieda, deine Mutter ist sehr bedrückt.«
»Wärst du denn mitgegangen, wenn du anwesend gewesen wärst?«, fragte Frieda.
»Nein, nein und nochmals nein!«, antwortete ich, »seit Anfang Juni bin ich auf der Flucht, zuvor bin ich mit meiner Freundin zu ihren Eltern von Dresden nach Bergen auf der Insel Rügen geflüchtet, um nicht in Dresden alleine zu sein. Von Bergen schlug ich mich zurück wieder nach Dresden-Radebeul durch, da war zuletzt mein Zuhause. Nach der Besetzung durch die Russen habe ich mich entschlossen, auf jeden Fall zu meinen Angehörigen an der Schweizer Grenze zu gelangen. Mein Ziel habe ich noch längst nicht erreicht, aber gegen das, was ich bisher durchgemacht habe, scheint mich dieses hier, auch wenn die Unterbringung mehr als menschenunwürdig ist, dem Endpunkt meiner Reise näher zu bringen. Experimentieren möchte ich nicht mehr.«
»Dieser Meinung bin ich auch«, gab Frieda mir recht. »Na, dann wollen wir wieder Gutes tun, mit dem Gefühl im Bauch, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Zwischendurch schaue ich mal nach Carla und Mutter, wenn sie wissen, ich bin zu erreichen und in ihrer Nähe, dann sind sie beruhigt.«
Schwester Emma kam zum Dienst, ich hatte bereits alles abgewaschen und die Küche aufgeräumt. Dr. Brühne blieb an der Schiebetüre stehen.
»Immer noch oder schon wieder?«
»Schon wieder«, meinte ich, sein Anblick gab mir einen Stich, das dunkle Haar und die grauen Augen erinnerten mich so sehr an Karl.
»Bekomme ich nachher einen Kaffee?«, war seine nächste Frage.
»Sie müssen mir erklären, wie stark Sie Ihren Kaffee haben wollen, vor allen Dingen, wo finde ich den Kaffee?«
»Fragen Sie unser aller Engel, da kommt er gerade«, meinte Dr. Brühne und ging weiter.
»Schön, dass du da bist, Kleines, sieh mal, hier steht der Kaffee, den Tauchsieder kennst du ja, nimm auf einen Becher drei Kaffeelöffel Pulver, dann ist er nicht so stark.« Schwester Emma erklärte alles so ruhig und freundlich, bestimmt war sie zu den Patienten auch sehr lieb und geduldig.
»Sie sind aber früh zurück«, bemerkte ich zu ihr.
»Nun«, meinte die Schwester, »wir haben viele Verbände zu wechseln, frisch zu betten und zum Teil muss das Essen verabreicht werden.«
Dr. Brühne wechselte sich mit Dr. Hermann ab, es war sehr viel Verantwortung für nur zwei Ärzte, da mussten wir alle noch ein wenig mehr mithelfen. Ich freute mich, dass ich einen kleinen Beitrag leisten konnte, jedenfalls, solange wir hier festsaßen.
»Hoffentlich fährt mir der Zug nicht einmal vor der Nase weg«, scherzte ich und hatte auf einmal Bange, dies könnte tatsächlich der Fall sein.
»Nein, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, meinte Schwester Emma, »das erfahren wir auch, da werden die Helferinnen zeitgerecht davon in Kenntnis gesetzt, dass sie euch nicht mehr mit Suppe versorgen müssen. Außerdem, ohne Lokomotive geht es nicht. Wenn sie diese andocken, das hören wir bestimmt.«
Am dritten Tag gingen Frieda und ich zusammen in den Lazarettzug, und auf dem kurzen Weg, den wir nun in die Länge zogen, erzählte sie mir, dass sie in Düsseldorf ausgebombt wurden. Ihr Mann hätte keine Ahnung, wo er sie finden konnte, so hoffte sie sehnlichst, dass es bald heimwärts ginge und ihre Familie wieder komplett wäre.
»Sicher sind es Millionen von Menschen, die diesen Wunsch haben, nur«, so schloss Frieda, »hoffen kann jeder, aber leiden muss jeder für sich alleine.«
Ob diese Wunden je heilen würden?
Am fünften Tag, einem Sonntag, erfuhren wir, dass wir am anderen Tag weitertransportiert würden. Carla hüpfte vor Freude, Friedas Mutter weinte still vor sich hin.
»Es geht weiter, es geht weiter!«, sprach die alte Dame für sich und wiederholte diesen Satz immer wieder, ich hatte den Eindruck, dass sie sehr unter all diesem Stress litt.
So verrichtete ich an unserem letzten Tag vor der Weiterfahrt noch meine Arbeit im Lazarettzug. Schwester Emma war den ganzen Tag in Aktion, am Nachmittag gab sie mir eine gut riechende Seife.
»Schließ dich in der Toilette ein und nimm dir warmes Wasser mit.« Das hörte sich gut an. Gegen 21.00 Uhr wollte ich in den Waggon zurück, meine Arbeit war früh erledigt, ich zog alles ein bisschen in die Länge, weil mir das Durcheinander im Waggon missfiel. Dadurch traf ich nochmals Dr. Brühne, er kam in die kleine Küche und wollte sich selbst einen Tee aufbrühen, in der linken Hand
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