Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
ich sie mit Fragen.
»Alles kein Problem«, meinte Schwester Emma, »ich bewohne mit noch zwei Schwestern hier ein Abteil, ein wenig eng zwar, aber es klappt alles.«
»Schwester Emma, könnte ich hier einmal zur Toilette?«, fragte ich schüchtern.
»Komm«, bot sie mir an, »wenn du möchtest, kannst du dich da ein wenig frisch machen.«
»Danke, das ist ein nettes Angebot.«
Als ich in die Bordküche zurückkam, war Schwester Emma gerade dabei, etwas aufzubrühen. Ein dunkelhaariger Mann in einem weißen Kittel stand daneben und nahm von ihr einen gefüllten Becher in Empfang. Ich blieb erst einmal vor der Küchentüre stehen, bis Schwester Emma sie aufschob und mich aufforderte hereinzukommen. Unschlüssig, ihrer Aufforderung zu folgen, wartete ich, bis der Mann in Weiß mich fragte:
»Möchten Sie einen Becher Kaffee? Ich bin übrigens Dr. Brühne.« Ich blieb eine Antwort schuldig, mechanisch nahm ich von Schwester Emma den Becher entgegen und dankte ihr. Das tat gut, ein Becher gefüllt mit heißem Kaffee.
Bei Dr. Brühne entschuldigte ich mich, weil ich mich noch nicht vorgestellt hatte.
»Kein Problem«, meinte er gelassen, »für Etikette ist wenig Platz, wichtig für uns in dieser Zeit ist nur, hilfst du mir, ich helfe dir ganz bestimmt.« Er zauberte ein Lächeln in sein übermüdetes Gesicht.
»Na, dann wollen wir mal weitermachen. Bis später.«
Zwischendurch ging ich in unser Abteil, es war kurz vor Mittag. Einige der Mitreisenden wollten im näheren Umkreis erkunden, ob sie vielleicht etwas auf die Lebensmittelkarten auftreiben konnten. Allen voran die Männer, die meinten, dass sie sich besser behaupten könnten als die Frauen.
Carlas Mutter war noch im Lazarettzug, erzählte mir ihre Großmutter, die organisierenden Männer hätten von ihr Brotmarken mitgenommen, vielleicht hätten sie Glück und ich bekäme auch etwas Brot, meinte die Großmutter etwas zögerlich.
»Hast du Hunger, Carla?«, fragte ich die Kleine, »im Rucksack habe ich noch etwas Brot oder möchtest du lieber Kekse?«
»Oh ja, Kekse, das wäre toll.« Aus meinem Rucksack kramte ich die Kekse von Anton und gab sie zur Hälfte Carla. Ihre Augen strahlten.
»Wenn ich heute Abend wieder zum Abwaschen in den anderen Zug gehe, Carla, bist du dann so lieb und passt auf mein Gepäck auf? Machst du das für mich? Das wäre ganz lieb von dir.«
»Klar mach ich das«, versicherte mir Carla, »mach dir keine Gedanken, Großmutter und ich, wir passen beide ganz bestimmt darauf auf.«
»Was soll nur werden, wenn wir noch länger hier stehen bleiben«, meinte Carlas Großmutter niedergeschlagen. »Waschen ist nicht möglich, wie soll man in der Nacht im Dunkeln austreten können, ohne Angst davor, irgendwo hinzufallen?« Die ältere Dame war verzweifelt. Fast beiläufig erzählte sie mir, dass einige der Mitreisenden heute beschlossen hatten, auf eigene Faust weiterzuziehen, wenn der Aufenthalt noch länger dauern sollte.
So geschah es bereits am nächsten Vormittag. Die Kundschafter wollten in Erfahrung gebracht haben, dass bis zur Weiterfahrt noch eine Woche vergehen könne. So machte sich ein großer Teil auf und davon. Für die Zurückgebliebenen war es von Vorteil, so konnten wir uns in der Nacht besser ausstrecken.
Als Carlas Mutter in den Waggon zurückkam, bemerkte sie die Lücken in den Reihen.
»Was ist geschehen?«, fragte sie uns ganz aufgeregt, und als ihre Mutter sie darüber aufklärte, meinte sie nachdenklich, »ob das vernünftig ist, das sei dahingestellt. Zu Fuß erreichen sie ihr Ziel nicht, wenn sie auf der Landstraße aufgegriffen werden, kommen sie erneut in ein Lager, bis in die gewünschte Richtung ein Transport zusammengestellt wird. Wer nicht gut zu Fuß ist, schafft es bei dieser Hitze nicht. Wir jedenfalls, Mutter, wir warten hier, es muss ja mal weitergehen.« So tröstete Carlas Mutter gleichzeitig auch mich.
Nachdem wir am Mittag eine Suppe bekommen hatten, wuchs auch ein bisschen die Hoffnung auf eine positive Entwicklung der Lage.
Carlas Mutter hieß Frieda, wir beide gingen am späten Nachmittag wieder unserer Aufgabe nach. Was Frieda allerdings nicht bemerkt hatte, war, dass ihre Kollegin am Vormittag von ihrem Mann zurückgerufen wurde und inzwischen mit all den anderen zu Fuß unterwegs war. »Hast du das alles mitbekommen?«, fragte mich Frieda.
»Nein, wie denn auch, ich war doch den ganzen Vormittag im Lazarettzug«, sagte ich, »erst als ich eine Pause machte, erfuhr ich es von
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