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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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wichtig, dachte ich, was soll da schon passieren. Kurz vor der Landesgrenze zur Schweiz, bei Lörrach, wurde eine Pause gemacht, um eine Toilette aufzusuchen. Alle liefen eilig in die angegebene Richtung, ich kehrte als Letzte zum Transporter zurück. Die wartende Aufsicht schob mich einfach auf den ersten Transporter, aber mein Koffer und auch Martin befanden sich auf dem zweiten. Gerade noch konnte ich Martin zurufen, er möge doch auf meinen Koffer aufpassen. Mit einem Megaphon wurde verlautbart, dass, wer verschlossene Briefe zur Weiterbeförderung bei sich habe, er diese noch vor dem Grenzübergang öffnen und der Kontrolle vorlegen solle. Was sollte ich nun machen? Bei der Durchsage fiel mir ein, dass ich auf unserem langen Fußmarsch von ehemaligen deutschen Soldaten drei Briefe an ihre Frauen, die in Rheinfelden leben, angenommen hatte. Viele ehemalige Soldaten, die auf dem Weg in ein Lager waren, baten Zivilisten, die Briefe, wenn möglich, an ihre Angehörigen als Lebenszeichen weiterzuleiten. Selbstverständlich versuchte man, diesen Wunsch zu erfüllen.
    Franzosen in Uniform kletterten nun auf den anderen Transporter, durchsuchten das Gepäck und öffneten auch meinen Koffer. Dabei fielen ihnen die drei verschlossenen Briefe, adressiert an die Frauen der Soldaten, in die Hände. Martin erklärte den Franzosen, dass ich nach der Rast auf den anderen Laster aufgestiegen war. Einer der Franzosen kam an unseren Wagen, machte die Klappe herunter, rief meinen Namen und befahl mir energisch abzusteigen. Schnell noch rief ich Martin zu, er möge doch den Koffer an sich nehmen.
    »Mach ich!«, gab er mir durch Handzeichen zu verstehen. Die Fahrt ging nun ohne mich, aber mit meinem Koffer, weiter. Zum Glück hatte ich wenigstens meinen Rucksack bei mir, darin waren alle Erinnerungen an Dresden, die kostbaren Andenken an Karl, meine Geldreserven.
    Ein französischer Grenzsoldat brachte mich in ein großes Gebäude, das wohl die Besatzer beschlagnahmt hatten. In einem langen Flur klopfte er an eine Tür, neben der zwei Wachposten Aufstellung genommen hatten. Ein französischer Soldat mit geschultertem Gewehr öffnete. Erklärungen wurden abgegeben und ich in das Zimmer hineingeschoben. So stand ich vor einem Schreibtisch, hinter dem ein französischer Offizier saß, und wartete. Der Wachmann stellte sich mir gegenüber, so hatte er mich voll im Visier. Das Warten dauerte, man würdigte mich keines Blickes, schließlich war der Mann am Schreibtisch mit scheinbar wichtigeren Dingen beschäftigt. Ich war müde, besser gesagt, sehr müde, Mut und Kraft hatten mich endgültig verlassen. Ganz egal, was man nun mit mir vorhatte, ich würde es hinnehmen.
    Aus dieser Lethargie wurde ich gerissen, als ich meinen Namen hörte.
    »Sind Sie das?« Der Offizier zeigte auf ein Blatt Papier, das ihm auf den Schreibtisch gelegt worden war. »Haben Sie einen Ausweis, einen Passierschein?« Beides brachte ich zum Vorschein und legte es auf den Schreibtisch. Ein Umdrehen, ein Begutachten, dann die Frage: »Radebeul, wo ist das?« Ich erklärte es ihm.
    »Das ist doch russische Zone?«
    »Ja«, sagte ich, »das ist so.«
    »Und warum sind Sie dort weggegangen? Wegen der Russen?«, fragte er; es kam mir so vor, als sei er Elsässer, sein Deutsch klang so.
    »Bitte, lesen Sie«, gab ich zur Antwort, »in meinem Schulausweis steht der Geburtsort, in Radebeul bin ich zur Schule gegangen, alles, was ich möchte, ist, zu meinen Angehörigen nach Rheinfelden zurückzukommen. Das ist doch sicher verständlich.« Die drei Briefe der Soldaten lagen auf seinem Schreibtisch und waren bereits gelesen worden.
    »Wie kommen Sie an diese Briefe?«, hörte ich seine nächste Frage. Ich erklärte ihm, dass ehemalige Soldaten auf dem Marsch uns gebeten hatten, ihren Frauen die Nachrichten zu überbringen und ihnen mitzuteilen, dass ihre Männer noch am Leben waren.
    »Wieso haben Sie die Briefe nicht geöffnet, als Sie dazu aufgefordert wurden?«
    »Ich wurde dazu erzogen, fremde Briefe nicht zu öffnen oder zu lesen«, sagte ich emotionslos.
    Er musterte mich von oben bis unten, dann kam ein kurz angebundenes »Setzen Sie sich!«
    »Danke.«
    Der Rucksack wurde mir abgenommen, der Inhalt auf dem Schreibtisch ausgebreitet, dabei war auch das inzwischen sehr hart gewordene Brot, das mir Anton eingepackt hatte.
    In einem DIN-A5-Umschlag hatte ich die Briefe von Karl, den Geburtstagsbrief, die Briefe an Karl, die von dem Lazarett an mich zurückgekommen

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