Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
musste ja an demselben Tag wieder zurück, ein Gästezimmer hatten wir nicht mehr, sie waren nun alle belegt.
Maria, der Engel, hatte uns vor etwa sieben Wochen fünf kleine Hähnchen zum Mästen gebracht. Wir hielten sie in der großen Garage, wo bis zur Besatzung zwei Autos und zwei Motorräder des alten Herrn gestanden waren. Nun lagerte da das Holz für die Heizöfen des großen Hauses, das vom alten Herrn und von mir nach Bedarf gespalten wurde. Die Getreidekörner für unsere kleinen Hähnchen brachte uns Maria auch mit. Ich nutzte nun die Gelegenheit und bereitete uns von diesen fünf kleinen Tierchen eine Mahlzeit zu. Herr Keller musste das Schlachten übernehmen, seine Frau rupfte sie und brachte aus ihrem Garten Salat mit, Kartoffeln hatten wir noch vorrätig. Das Festessen erklärte ich damit, dass wir nun zwei Fliegen mit einer Klappe schlugen, einerseits ein Begrüßungsessen für den heimgekehrten Sohn und andererseits ein Dank an Dr. Brühne.
Wie sehr ich mich über diesen Besuch freute, ließ ich mir allerdings nicht anmerken.
Nach dem Mittagessen, so gegen 15.00 Uhr, machten wir uns bereit zum Abmarsch. Dr. Brühnes Wunsch war es, zu Fuß den Weg nach Todtnau zurückzulegen, gegen 18.00 Uhr konnten wir in Richtung Säckingen fahren und ich hatte gleich einen Anschluss nach Rheinfelden. Es war ein tolles Gefühl, sich um nichts kümmern zu müssen, während des Fußmarsches sangen wir in den höchsten Tönen. Obwohl der Tag sehr heiß war, spürten wir die Hitze nicht, die Tannen beschatteten die Landstraße. So viel und herzhaft hatte ich schon lange nicht mehr gelacht.
»Nur zu, kleines Mädchen, es ist ein herrlicher Tag, freue dich einfach, ich tu es auch und genieße es in vollen Zügen«, sagte Dr. Brühne strahlend. Der lange Marsch hatte mich kein bisschen ermüdet, ich war so gelöst und fern von allem, dass ich mir wünschte, der Tag möge nie zu Ende gehen.
Kurz vor Todtnau wurde ich noch einmal fest in den Arm genommen, ein sanftes Streicheln über das Haar, ein »Schau mir in die Augen«, dann kam das grausame Erwachen.
»Nun müssen wir uns wieder benehmen. Es war so schön, mit dir die Straße entlangzugehen, ich wünschte, es würde sich wiederholen, es war beinahe so, als hätte der Himmel uns heute alleine gehört.«
Wie wundervoll es doch sein kann, wenn man Träume hat, von einem Leben, das vor einem liegt, von einem Menschen, den man von ganzem Herzen liebt, wenn man Augenblicke erlebt, von denen man sich wünscht, sie mögen doch nie zu Ende gehen.
Diese Gedanken beflügelten mich, sie begleiteten mich die ganzen drei Tage während meines Aufenthaltes bei meinen Angehörigen. Langsam fühlte ich, dass man dem Leben auch schöne und lichte Momente abringen kann. Augenblicke, in denen man alles Schlechte vergisst und nur an das Gute denkt. Dies ist ein unvergleichliches Gefühl, ich möchte es Glücksgefühl nennen, auch wenn es nur für einen kurzen Augenblick zu Gast ist.
Zurück auf dem Berg, waren die Aufgaben gewachsen. Mit den vorhandenen und zugeteilten Lebensmitteln versuchte ich nun, für vier Personen so zu kochen, dass es für alle ausreichend war. Der alte Herr schätzte es kräftig, sein Sohn bekam eine Diät, um die Gewebsflüssigkeit abzubauen. Bekam der Junior eine doppelte Portion, wurde woanders wieder eingespart. Mein Einsatz für Vater und Sohn verlief reibungslos. Frau Keller, Rosa und ich verteilten die Arbeit so, dass jede den Anforderungen gerecht werden konnte. Das Problem, das bisher verdrängt wurde, damit aber nicht gelöst war, war der 80. Geburtstag von Dr. Auler im November 1948. Wir mussten daran denken und uns auf einige Besucher einstellen. So beschlossen wir, für diesen Tag das große Zimmer im Parterre zu benutzen. In dieser Jahreszeit musste natürlich in dem großen Kamin ordentlich Feuer gemacht werden, ebenso in dem Kamin in der Halle, wo die Besucher empfangen werden sollten. Die Heizung war nach wie vor betriebsunfähig, deshalb hatten wir uns diese Lösung überlegt. Dafür war es allerdings nötig, rechtzeitig viel Holz zu hacken, was zum Teil Herr Keller und der Junior übernahmen. In einem der Keller hatte der alte Herr noch edlen Wein in Bocksbeuteln gelagert. Es fiel mir auf, dass er sich neuerdings öfters in den Keller begab und den gelagerten Wein kontrollierte. Einmal stellte er mir die Frage, ob ich eventuell beobachtet hätte, dass August in diesem Keller war. Nein, sagte ich, außerdem käme ich nie auf den Gedanken,
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