Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Vater:
»Vielleicht können mir meine Freunde helfen, eine Beschäftigung zu finden.« Es war fast ungewohnt, mit dem alten Herrn vorübergehend wieder alleine zu sein. Seine Augen machten ihm Sorgen, Dr. Brühne schlug vor, sie in Freiburg an der Uniklinik untersuchen zu lassen, was Auler aber bis Frühjahr 49 verschob, für den Fall, dass ein Klinikaufenthalt unumgänglich war. Über diesen Entschluss war ich doch sehr erleichtert, über die Schwierigkeiten, im Winter noch öfter nach Freiburg zu fahren als bisher, wollte ich erst gar nicht nachdenken. Worüber ich aber anfing nachzudenken, war die Tatsache, dass ich nun im vierten Jahr bei Dr. Auler war. Dass es nun doch an der Zeit war, mich neu zu orientieren, was ich einmal beruflich machen wollte. Mein Wintersemester wollte ich auf alle Fälle beenden, mich aber auch in dieser Zeit informieren, was es inzwischen an Möglichkeiten gab, um danach eventuell eine Entscheidung zu treffen. Aber alles kam so ganz anders, selten war bisher, dass meine Pläne realisiert wurden. Lag es nur an mir? Lag es daran, dass ich auch Geld verdienen musste? In den Jahren auf dem Berg konnte ich nicht viel sparen, dann war ja auch die Währungsreform, gerne hätte ich einmal ein hübsches Kleid, nicht nur aus Resten zusammengeschneidert, ein Paar hübsche Schuhe und eine schöne Handtasche. Dies alles waren aber vorerst nur Träume.
Der Junior hatte wohl keinen Erfolg in Hannover, er studierte die Zeitungen, schrieb Bewerbungen. Ein- bis zweimal in der Woche ging er zum Hebelhof, er hoffte, bei seinen Besuchen vielleicht jemanden zu treffen, der ihm, wie er meinte, einen Tipp geben konnte. Abends kam er immer verstohlen zurück, aber sein Vater registrierte sein Kommen und Gehen genau. Inzwischen war ich fest überzeugt davon, dass der Junior kein Trinker war. Für mich deutete nichts in seinem Verhalten oder Auftreten darauf hin.
Der alte Herr jedoch hielt sich, wenn August Vorschläge machte und erwähnte, sicher bald eine Anstellung zu finden, sehr bedeckt. Mir dagegen gefiel sein Optimismus, auch seine Umgangsformen und die ihm eigene Zurückhaltung gewannen mein Vertrauen. Wenn auch durch ihn mehr Arbeit anfiel, so nahm er mir auch gleichzeitig einiges ab. Einmal schlug er uns vor, mir den weiten Weg zum Einkaufen nach Bärental abzunehmen. Es war immer ein sehr langer Fußmarsch, den Rucksack mit den Lebensmitteln auf dem Rücken, und das bei Wind und Wetter. Aber sein Vater lehnte dies ein für alle Mal ab.
Die Befangenheit des Juniors mir gegenüber wich nun allmählich, er bot mir das Du an und das machte für mich den Umgang miteinander viel einfacher und angenehmer.
Nun war es endgültig, der alte Herr musste in die Augenklinik, ich fuhr im Taxi mit nach Freiburg, räumte ihm seine Sachen ein und bekam noch einige Hinweise mit auf den Rückweg, worauf ich besonders achten solle.
Nach der OP lag er drei Tage im Dunkeln, die Augen waren verbunden. Täglich fuhr ich nach Freiburg, half ihm bei den Mahlzeiten, wusch ihm Gesicht und Hände, achtete darauf, dass er genügend Flüssigkeit aufnahm. Nachdem der Verband entfernt worden war, fuhr ich nur mehr dreimal wöchentlich zu ihm. Die Krankenhausversorgung war gut. Dr. Auler lag erste Klasse, so war ich nicht an fixe Besuchszeiten gebunden. Jedes Mal nahm ich frische Wäsche mit, die gebrauchte Wäsche ging zurück mit mir auf den Berg. Einmal wöchentlich besuchte der Junior seinen Vater, bei dieser Gelegenheit bewarb er sich in Freiburg und hielt nach einer Wohnmöglichkeit Umschau. Wenn der Junior oder ich zurück aus Freiburg kamen, gab es meist viel zu erzählen. Er nahm mir auch einiges an Hausarbeiten ab, so hatten wir die Abende für uns, oft kochten wir uns gemeinsam etwas und hatten großen Spaß dabei. So kamen wir uns dann näher, schließlich ganz nah.
Unerfahren in der Liebe, war ich bereit, sie zu erleben und zu leben. Die Einsamkeit hatte ich oft schmerzlich empfunden, die Sorge um den alten Herrn ließ meine innere Leere einfach nicht zu. Nun erlebte ich die Zweisamkeit, wenn wir beisammen waren, dann waren wir eins und unendlich weit von allem entfernt. Ich überschüttete August mit der ganzen aufgestauten Liebe und Sehnsucht, aber wie sollte das einmal enden? Eines Abends sprachen wir darüber, August hatte in Freiburg eine Bürotätigkeit in Aussicht gestellt bekommen. Es sei nichts Besonderes, meinte er, aber wenigstens einmal ein Anfang. Zunächst könnten wir uns an den Tagen sehen, an denen
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