Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Auler mal Kölsch, ich versuchte es auch immer wieder, um ihm eine Freude zu machen, aber der Dialekt gelang mir nicht so richtig.
Doch den Wortlaut dieser Karte verstand ich. Während meiner Abwesenheit wurde der alte Herr von Frau Keller, unserer Nachbarin, gut betreut. Eine frühere Bekannte, inzwischen Ende 60, quartierte sich im Haus ein. Es sollte noch dauern bis ich wieder einsatzfähig war, aber ich freute mich auf den Berg, wenn ich es auch nicht zugeben wollte. Ich freute mich auf den alten Herrn, das Philosophieren mit ihm, die lustigen Erlebnisse, die ich ihm ab und zu entlocken konnte. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, schrieb er mir einen Brief, darin schilderte er mir, dass er die Zigarrenstummel allesamt aufgehoben hatte, damit ich sie wieder ganz fein schneide, in Salzwasser lege und er dann das getrocknete Geschnipselte erneut in seiner Pfeife rauchen konnte. Was war man erfinderisch in dieser Zeit, trotzdem war man zufrieden, froh darüber, dass der Krieg vorüber war.
Mit neuer Energie übersiedelte ich wieder auf den Berg. Die nächsten Wochen sollte Frau Keller mich mehr unterstützen als bisher. Frau Schneider, die alte Bekannte, wie sie sehr betonte, glaubte nun, nachdem ich wieder anwesend war, sie sei die Hausherrin, Frau Keller und ich ihre Angestellten. Nach einigen Tagen gingen mir ihre Anweisungen doch zu weit. Bald kam eine passende Gelegenheit. Frau Schneider machte mit Lumpi, dem Zwergschnauzer, der seit zwei Jahren der Liebling des Hausherrn war, einen Spaziergang. Ein guter Moment, dachte ich, um die Situation zu klären, und vorwurfsvoll stellte ich dem alten Herrn die Frage, warum er mich nicht darüber informiert habe, dass Frau Schneider, diese gute Bekannte von ihm, sich ganz im Haus niederlassen wolle.
»Wie kommst du denn darauf?«, meinte Auler erstaunt. »Sie hat anlässlich eines Telefonats angeboten zu helfen, so lange dies nötig sei.«
»Sollte Frau Schneider hierbleiben, ist mein Aufenthalt ja nicht mehr vonnöten«, schmollte ich.
»Was denkst du dir denn? Sie hat zwar angenommen, ich sei ein Heiratskandidat, aber dieses Missverständnis wurde ausgeräumt. Außerdem wollte sie unter anderem gerne als Sekretärin fungieren und das Schreiben meiner Memoiren übernehmen.«
»Hat sie das Schreiben übernommen?«, war meine Frage.
»Nein, ich habe meinen Charme voll entfaltet und ihr erklärt, dass es schätzenswert sei, dass sie in diesen Wochen eingesprungen ist und sich bewundernswert um alles gekümmert hat. Aber nun bist du ja wieder hier und wirst alles wie bisher in bewährter Weise übernehmen.«
Scheinbar zeigten die Erklärungen des Hausherrn Wirkung. Frau Schneider entschloss sich ganz kurzfristig abzureisen. Ich brachte sie bis zum Hebelhof, wo sie mit dem Bus bis Todtnau fahren konnte, dann weiter in Richtung Villingen. Auf dem Weg zum Hebelhof erzählte sie mir, dass sie gehofft habe, bei Dr. Auler bleiben zu können. Bestimmt hätte er sie eines Tages geheiratet, dann hätte sie sich noch intensiver um ihn kümmern können. Für sie tat es mir leid, dass es nicht so gekommen war, wie sie es sich gewünscht hatte. Für mich aber wäre dann die Aufgabe erfüllt gewesen, ich hatte ja für mich auch noch andere Pläne und hoffte, dass sie sich einmal verwirklichen ließen.
Eines Abends, während unseres Philosophierens, kam Auler mit der Idee, ob ich nicht Lust hätte, Philosophie zu studieren.
»Gewiss, Lust schon«, meinte ich, »aber die Frage ist doch, reicht es einmal aus, um den Lebensunterhalt zu verdienen?«
»Muss es doch nicht, mach es einfach, weil es dir Freude macht. Du hast nur dieses eine Leben, man soll auch das tun, was Freude bereitet, wenn sich dazu Gelegenheiten bieten. Ich werde mich schlau machen und Unterlagen anfordern.« Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Auler besprach telefonisch mit Prof. Ulmer die Möglichkeiten, die es für mich an der Uni Freiburg gab. Ein Vorlesungsverzeichnis half mir, die Titel der Vorlesungen und die Namen der Lehrer auf einem Hörerschein einzutragen. An zwei Tagen in der Woche je fünf Stunden belegte ich die Themen: Deutschland im 17. Jahrhundert, Grundlegung zur Metaphysik, Grundprobleme der Philosophie in der Gegenwart, Natur und Geschichte. Zum Abholen des Hörerscheines fuhr ich nach Freiburg, entrichtete einen Betrag von 122,10 Reichsmark und bekam die Berechtigung für das Sommersemester 1948 ausgehändigt.
Ich muss zugeben, es machte mich schon ein wenig stolz, aber
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