Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
würde), dann wurde lächelnd geantwortet:
»Nimm es hin und sei zufrieden, wir haben Krieg und keinen Frieden.«
Marie war nicht berufstätig, sie hatte auch keinen Beruf erlernt und war einfach Hausfrau und Mutter, wie sich das in dieser Zeit für eine Frau gehörte. Aber sie schien auch wenig Ahnung davon oder Interesse daran zu haben, wie sich die Firma, in der Vater tätig war, seit Kriegsbeginn entwickelt hatte und was sie produzierte. Sie zeigte sich auch nicht sonderlich besorgt um Vater. Viel zu viele Gedanken begleiteten mich auf der Rückreise nach Niederau. Fast schon schien es mir, als würde ich mich darauf freuen, Helmut wiederzusehen, Hedy und Max, mit denen ich über alles reden konnte, zu treffen, denn sie verstanden mich.
Nur einmal musste ich umsteigen, dann hieß es für mich Niederau / Meißen. Es war schon dunkel, als ich das Haus erreichte, meinen Haustürschlüssel konnte ich deshalb nicht gleich in meiner Umhängetasche finden und so klingelte ich. Ich war nicht wenig erstaunt, als Bruno die Haustüre öffnete.
»Na, da bist du ja wieder«, sagte er, als er mich an sich drückte, und ergänzte sofort, dass sie mich erst in ein paar Tagen erwartet hätten. Ich suchte erst gar nicht nach einer Ausrede sondern nahm Helmut in den Arm, der uns sprechen hörte und herbeieilte, um das ›Edithlein‹ zu begrüßen. Else war scheinbar auch froh, dass ich zurück war, dachte sie wahrscheinlich gleich daran, dass ich ihr nun wieder einen Teil der Arbeit abnehmen konnte.
Nach einem gemeinsamen Abendessen bestand Helmut darauf, dass ich ihn zu Bett bringe, er stellte Fragen über Fragen, die ich zum Teil nicht verstand und zum Teil nicht beantworten konnte, so viel wollte er wissen. Aber eine Frage, die ihm ganz wichtig schien, konnte ich beantworten:
»Nein, ich werde nicht mehr, zumindest vorerst nicht, mit dem Zug so weit wegfahren.« Er schlief ruhig und fest ein.
Else übergab mir drei Briefe, einer war von Mutter, so selbstverständlich geöffnet, als sei sie die Empfängerin. So könne sie gleich alles festlegen und den Ablauf überlegen, wenn meine Mutter zu Besuch da sei, meinte sie als Erklärung. Zu dem Brief von meinem Frontsoldaten Florian erklärte sie mit einem schiefen Lächeln, dass er es scheinbar ernst meine, wenn der Krieg vorbei sei. Darauf antwortete ich ihr, dass er mich ja gar nicht kennen würde. Und wenn es zu einem Kennenlernen käme, würde er sicher schnell das Interesse verlieren.
»Oh«, meinte Bruno, »das glaube ich nicht. Übrigens wirst du bald 16 Jahre alt, und da steht doch einer Verbindung nichts im Wege!« Er machte noch einige Bemerkungen, die ich absolut nicht verstand und die mir fast Angst machten, bis Else ihm erklärte, es sei nun genug.
Bruno sah nicht mehr so blass aus, er hatte scheinbar auch zugenommen, sollte sich aber auf alle Fälle weiterhin an die Diät halten. Dies war wieder meine Aufgabe, und inzwischen kannte ich mich damit schon ganz gut aus. Er schien mir allerdings Else gegenüber etwas unsicher zu sein. Es fiel mir auch auf, dass er Else ermahnte, es sei doch wohl an der Zeit, mich meine Briefe selbst öffnen zu lassen. Darauf gab ich zur Antwort, zwar hätte ich nichts zu verbergen, aber gewiss würden sie beide es erfahren, wenn es von Wichtigkeit wäre. So schien dieses Eingreifen in persönliche Dinge geklärt.
Hedy und Max waren ebenso überrascht, als ich am andern Tag mit Helmut vor ihrer Türe stand. Nur in groben Zügen erzählte ich von meiner Reise, um mit Helmut einigermaßen pünktlich nach Hause zu kommen. Als wir uns nach einer Nudelsuppe verabschiedeten, meinte Hedy:
»Sicher war es für deinen Vater und dich nicht ganz einfach, so zwischen den Stühlen zu sitzen, aber eines sollst du wissen: du bist auch bei uns zu Hause!« Hedy bedauerte, dass sie von Max’ Sohn Erich schon länger nichts gehört hatten, sie machten sich Sorgen um ihn. Max schien von dieser Sorge sehr belastet zu sein. Ich glaubte, in seinen Augen sogar Tränen zu sehen, als wir darüber sprachen. Die Ehe von Max und Hedy war kinderlos geblieben, würde nun Erich etwas zustoßen, dann hätten die beiden keine Balance und keinen Auftrieb mehr. Ich betete, dass dies nicht geschehen würde, ich hätte nicht gewusst, wie ich die beiden trösten könnte. Meinte Hedy doch sogar einmal, als wir von Erich sprachen, dass ich für sie eine liebe Schwiegertochter werden könnte. Sie hatte schon vor dem Krieg eine Aussteuer zusammengetragen.
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