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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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uns. Am Morgen hatten wir uns bei Hedy und Max für den Nachmittag angemeldet. Sie würden mit uns Kaffee trinken, worauf ich mich freute, besonders auf den Kuchen, den Hedy backen wollte. Wir holten Helmut früher vom Kindergarten ab, um nicht in Zeitdruck zu kommen. Mutter schien noch immer nicht ganz angekommen zu sein und so wollte ich sie nicht direkt mit meinen Gedankenspielen bezüglich meiner beruflichen Zukunft belasten, es gab bestimmt noch den richtigen Moment.
    Für mich wurde es ein bisschen viel, allen Anforderungen, die Else an mich stellte, gerecht zu werden, während meine Mutter bei mir zu Besuch war: Helmut beanspruchte mich, und Bruno kam täglich zum Mittagessen nach Hause und brauchte seine Diät. Mutter sollte etwas zu sehen bekommen, wenn sie schon die lange Reise auf sich genommen hatte.
    Im Vergleich zu heute war zu jener Zeit eine solche Reise fast mörderisch. Man reiste in überfüllten Zügen und wusste nie, wann es plötzlich hieß: »Alles aussteigen! Ein neu eingesetzter Zug wird in ca. einer Stunde weiterfahren.« Oft waren die Gleise durch Luftangriffe blockiert oder defekt, es kam auch vor, dass man mit Gepäck ein gutes Stück laufen und dann völlig erschöpft in einen wartenden Zug auf freier Strecke einsteigen musste. Das Einsteigen war unglaublich anstrengend. Das Gedränge war so groß, dass man gerade als Frau kaum eine Chance hatte, einen Sitzplatz zu ergattern. Dann blieben nur Stehplätze inmitten der dichtgedrängten Menschenmenge in den Gängen. Für die relativ kurze Zeit ihres Besuches gab ich mir alle Mühe, meiner Mutter die Tage so schön wie möglich zu gestalten. Sie sollte gerne an die Zeit zurückdenken und meinen Entschluss verstehen, hierbleiben zu wollen.

    An diesem Nachmittag ergab sich bei Deschers das Gespräch über meine weitere Ausbildung von selbst. Hedy hatte mir das abgenommen, ohne dass ich es wollte. Sie erzählte Mutter mit Begeisterung, dass ich hier weiter eine Schule besuchen wolle, wohnen würde ich dann bei ihnen. Hedy und Max wollten mir alles abnehmen, was möglich sei, damit ich mich ganz auf die Ausbildung konzentrieren könne. Alles andere würden sie – wie abgesprochen – mit Vater regeln. Mutter wusste oder ahnte, dass sie mich nicht würde davon abhalten können, hierzubleiben. Sie war während des Gespräches aber sehr zurückhaltend. Mir schien es, dass sie sich überrollt vorkam, und es tat mir leid, dass ich nicht vorher mit ihr darüber gesprochen hatte.

    Wahrscheinlich hatte sie es nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen, doch sie musste sich doch irgendwie ausgeschlossen und übergangen fühlen. Auf dem Nachhauseweg bat ich sie um Verständnis und entschuldigte mich dafür, dass Hedy mir bei der Darlegung meiner Zukunftspläne zuvorgekommen sei. Dies sei auf keinen Fall meine Absicht gewesen. Ich bat sie darum (da Weilers bisher nichts von alledem wussten), mir zuliebe auch nichts ihnen gegenüber zu erwähnen. Schließlich war schon genug schiefgelaufen, und letztlich war ich Weilers auch keine Rechenschaft schuldig. Mutter war derselben Meinung, und ich hoffte, dass sie mir nichts nachtrug.
    Es gab nun einige Dinge zu erledigen, die Hedy übernehmen wollte und es auch gut organisierte. Das sah meine Mutter ein, denn wer sollte es sonst für mich machen? Der Übergang von einer Ausbildung zur anderen sollte schließlich möglichst reibungslos sein.
    Else war der festen Meinung, dass ich Kunstgewerblerin werden sollte, dazu müsste ich dann auf eine Kunstakademie. Dies wollte sie mit Vater und Mutter besprechen. Sie glaubte fest, dass ich talentiert sei, weil ich, wie sie meinte, aus jedem Läppchen Stoff, aus Wollresten oder auch aus Fellen von Omas Kaninchen kleine Kunstwerke zauberte. Sie wollte mich dabei unterstützen und nach dem Krieg in Dresden ein Geschäft eröffnen. Sie vergaß allerdings, oder aber es war ihr nicht klar, dass ich überhaupt nicht zeichnen konnte. Nicht das Geringste vermochte ich zu Papier zu bringen. Wie sollte ich da entwerfen können? Wenn bei Weilers das Thema darauf kam, wie es mit mir weitergehen sollte, sagte ich immer:
    »Es wird sich zeigen. Während des Krieges kann ich sowieso nicht auf eine Kunstschule gehen.«
    Bei dem abendlichen Gespräch mit Mutter in meinem Zimmer bat ich sie nochmals um Verständnis und sagte ihr, dass ich mir ganz sicher sei, den richtigen Weg einzuschlagen. Auch wenn sie alles für mich tun würde, so war sie sicher froh darüber, dass ich hier

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