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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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Ich bedrängte sie nicht mit Fragen, wir hatten ja noch Zeit genug. Dafür sollte sie sich nun erst einmal auf die neue Umgebung einstellen, alles andere würde sich von selbst finden. Ich betrachtete sie von der Seite, ohne dass sie es merkte. Ihre dunklen Haare hatte sie schön frisiert, sie war leicht gebräunt im Gesicht, was sich apart von dem hellen Kostüm abhob. In diesem Moment fand ich meine Mutter richtig hübsch, sogar Stolz machte sich in mir breit. Langsam griff sie nach meiner Hand.
    »Ich freue mich, dich zu sehen. Du hast mir gefehlt.«
    Ich umarmte sie und stammelte strahlend:
    »Schön, dass du mir das sagst.«

    In Niederau angekommen, wurde Mutter von Weilers herzlich begrüßt. Else hatte für uns den Tisch gedeckt und für Mutter eine warme Mahlzeit zubereitet. Nachdem sie sich im Bad frisch gemacht hatte, setzten wir uns zu Tisch, und allmählich kam auch ein Gespräch zustande. Fragen wurden ihr gestellt nach dem Reiseverlauf und nach den Neuigkeiten aus der alten Heimat. Helmut wollte wissen, ob das meine Mama sei, scheinbar konnte er sich nicht mehr an sie erinnern, aber sonst hielt er manierlich Abstand und war scheinbar froh, dass ich wieder da war. Er bestand aber darauf, dass ich ihn zu Bett brachte mit dem festen Versprechen, dass ich auch bei ihm schlafen würde, solange meine Mama zu Besuch sei. Trotz großer Müdigkeit erzählte mir Mutter später in meinem Zimmer von zu Hause. Es war ganz wichtig für mich zu hören, wie es den Großeltern ergangen war. Von Großmutter brachte sie mir als Geschenk einen bestickten Taschentuchbehälter mit einer selbst aufgezeichneten roten Rose. Meine Freude war unbeschreiblich, ich musste die Tränen unterdrücken, was ich bisher immer meisterlich geschafft hatte. Für Mutter hatte ich einen Brief von Vater, der an sie adressiert war. Als ich ihn überreichte, war sie sehr verlegen und, wie es mir schien, nicht gerade glücklich darüber. Während sie ihn las, erwähnte sie entsetzt, dass Vater versuchen wollte, für einen Tag anzureisen, um Mutter und mich zu sehen. Ich konnte sie beruhigen, indem ich ihr erklärte, dass wir Vater in diesem Fall bei Hedy und Max unterbringen und wir dann Deschers offiziell einen Besuch abstatten würden. Dies schien ein akzeptabler und einleuchtender Plan zu sein, den wir aber nicht umzusetzen brauchten. Vater konnte nicht kommen, es war ihm etwas Dringendes dazwischengekommen, was er sehr bedauerte.

    Wir nahmen uns einiges vor, Mutter und ich.
    Ob sich alles umsetzen ließ, blieb offen, doch als Erstes wollten wir nach Dresden fahren. Else bot an, uns zu begleiten, doch Bruno, der inzwischen wieder seinen Aufgaben in der Fabrik nachging, riet davon ab. Wir hätten Helmut mitnehmen müssen, so wäre seine Betreuung wieder mir überlassen worden, und Else hätte die meiste Zeit für ihre Angelegenheiten genutzt. So blieb uns dies erspart, und Mutter und ich verbrachten einen schönen Tag in der Stadt. Meiner Mutter musste ich während ihres Besuches in Ruhe erklären, dass ich, wenn meine Zeit hier beendet wäre, gerne bleiben würde und auf Vaters Wunsch hin eine weitere Ausbildung beginnen wolle. Hedy hatte schon einiges in Erfahrung gebracht, was eventuell als Nächstes für mich infrage käme. Eine gute Ausbildung, so fand sie, könne ich beispielsweise in der privaten Schule für Sekretärinnen in der Prager Straße bekommen. Der Unterricht fand täglich von 8.00 Uhr morgens bis 15.00 Uhr am Nachmittag statt. Es wäre kein Problem, die Schule zu erreichen: von Niederau bis Dresden Hauptbahnhof mit der Bahn und den Rest zu Fuß wäre bestimmt zu bewältigen. Dies wollten wir alles mit Vater besprechen, wenn er Ende des Sommers käme.

    Im Frühjahr und Herbst begann die Schule mit ihren Seminaren, die Anmeldung musste jedoch rechtzeitig erfolgen. Es war also keine Zeit zu verlieren. Angeboten wurden doppelte und einfache Buchführung, Scheck- und Wechsellehre, Steno- und Schreibmaschinenkurse; alles, was eben von einer Bürokraft erwartet wurde. Zusätzlich konnte man am späten Nachmittag an Sprachkursen teilnehmen. Ich interessierte mich für Englisch. Meine Diätausbildung konnte später sicher auch von Nutzen sein, so hätte ich eine solide Grundlage mit verschiedenen beruflichen Möglichkeiten. Schon damals war es nicht einfach, überhaupt eine Arbeit zu finden.

    Else hatte mal wieder ihren Tauschtag in Dresden. Mutter und ich brachten Helmut in den Kindergarten, so hatten wir einen Teil des Tages für

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