Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Schön bestickte Bettwäsche, Daunendecken, Meißner Tafelgeschirr und einiges mehr. Ein alter zweitüriger Schrank war gefüllt, nur das Silberbesteck, so meinte Hedy, könne auch noch nach dem Krieg gesammelt werden, dies gehöre schließlich in einen gepflegten Haushalt. Das Thema Erich und ich schien Hedy neuerdings viel zu beschäftigen. Allerdings gab ich ihr zu bedenken, dass ich für eine Verbindung noch nicht bereit sei. Erst stehe für mich eine Ausbildung im Vordergrund, die ich auf alle Fälle zu Ende bringen wollte, dann stünde Geldverdienen an, um selbst für eine Aussteuer zu sorgen. Doch sie meinte dazu konsequent, dass Max und sie genug gespart hätten, damit Erich auch ein Mädchen ohne Aussteuer heiraten könnte. Da war es wieder, dieses Aufbäumen in mir. Wieso wollte man immer über meinen Kopf hinweg für mich entscheiden? Warum glaubte man, ich könne keine eigenen Wünsche und Vorstellungen haben, wie ich mein Leben gestaltete, wenn die Zeit dafür gekommen war? Ich musste an Großvater denken, wenn ich ein Problem hatte, das für mich zunächst nicht lösbar erschien, denn dann sagte er:
»Hansli, deine Sorgen möchte ich haben. Aber warte es ab, manche Dinge lösen sich von selber. Je mehr du grübelst, desto komplizierter wird alles. Lass es an dich herankommen, dann merkst du auf einmal, es ist kein Problem, es hat sich wie von selbst aufgelöst.«
Gewiss, es löste sich später vieles von selbst, aber das Thema ›Erich‹ sollte ein eher tragisches Ende finden. Er kam nicht aus dem Krieg zurück.
In drei Tagen wollte Mutter anreisen. Ich hatte ihr geschrieben, dass ich zum Hauptbahnhof in Dresden kommen würde, um sie abzuholen. Das Zimmer hatte ich mit einem Alpenveilchen auf dem Tisch geschmückt und Hedy hatte mir selbstgebackenes Gebäck in einer schönen Porzellanschale mitgegeben.
5
Ich muss zugeben, dass ich mich auf den Besuch von Mutter freute. Es war über ein Jahr her, dass ich mich von meinen Angehörigen verabschiedet hatte. Sicher hatte Mutter, genau wie ich, vieles zu erzählen. Vor allem war es mir wichtig zu hören, wie es den Großeltern ging. Mit dem Schreiben haperte es bei ihnen ein bisschen. Großvater hatte ganz dicke Brillengläser, ständig putzte er sie, in der Hoffnung, der Schmutz darauf sei der Grund, dass er nicht mehr gut sehen konnte. Aber dem war nicht so. Großmutter kränkelte des Öfteren, aber immer wieder rappelte sie sich auf. Wenn sie in ihren geliebten Garten konnte und ihre Blumen sah, ging es ihr wieder besser. Sie hatte immer noch ein Pärchen ihrer geliebten Kaninchen, nur essen konnte sie niemand. Tante Miriam sorgte rührend für die beiden alten Leute. Als begabte Schneiderin hatte sie viele Kundinnen, die offenbar gute Beziehungen zu Stofflieferanten hatten. Auf Geld legte sie wenig Wert. Vielmehr ließ sie sich als Gegenleistung für ihre Näharbeiten Lebensmittel geben, Bohnenkaffee war ihr dabei wichtig, weil Großmutter den so liebte. Auf ihre Weise konnte sie einiges zum Lebensunterhalt beitragen. Onkel Roland war Schneidermeister in einem Atelier für Maßanzüge. Diese wurden inoffiziell in Sonderschichten genäht. Der kleine Betrieb musste Maßuniformen für Offiziere herstellen, dadurch blieben die Angestellten teilweise vorerst vom Militärdienst verschont. Auch für seine SA-Organisation musste Onkel Roland mit den übrigen Mitarbeitern zusätzliche Uniformen einplanen.
Der Zug aus Kassel, dort musste Mutter umsteigen, kam mit einer Stunde Verspätung an. Vom Bahnsteigende aus konnte ich sie am besten aus der Menge erkennen, sie wirkte klein und zerbrechlich zwischen all den Menschen. Ich ging ihr entgegen, fast ängstlich wirkte sie, und als ich sie umarmte, hatte ich das Gefühl, dass ich sie beschützen müsse. Wir sprachen kein Wort, hielten uns einfach fest und plötzlich standen mir Tränen in den Augen. Den Koffer nahm ich ihr ab, sie trug ihre Reisetasche, wir wechselten schweigend den Bahnsteig und setzten uns auf eine Bank, um in einer Stunde von diesem Bahnsteig weiter nach Niederau zu fahren. Sie war froh, aber auch recht müde, als sie sagte, dass sie sich darauf freue, bald etwas schlafen zu können, die Reise sei sehr anstrengend gewesen. Die Züge waren maßlos überfüllt, einen Sitzplatz zu bekommen, war Glückssache. Sie hatte einen Platz bis Kassel bekommen, da ihr Zug in Basel eingesetzt wurde. Für die Wehrmacht waren separate Abteile reserviert, wodurch es beim Einsteigen noch freie Plätze gab.
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