Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
wissen, wie unser Konzert gewesen war. Zögernd erzählte ich Gisela von Karls Kopfschmerzen. Sie mussten schon höllisch gewesen sein, wenn er mitten in einem so wunderbaren Konzert einen Aufenthalt im Freien vorzog. Gisela versuchte, mich zu beruhigen:
»Nun, ich denke, dass sie Karl bestimmt helfen können im Lazarett und der Ursache auf den Grund gehen werden.«
Laurenz hatte Gisela schon vorgeschlagen, dass sie am morgigen Sonntag nach dem Mittagessen beide zu uns kommen wollten. Ihre Küchenration, die sie an den Sonntagen bekamen, wollten sie mitbringen, dann könnten wir uns einen gemütlichen Nachmittag machen.
»Eine schöne Idee«, lächelte ich und schon gab es wieder etwas, worauf man sich freuen konnte.
Die Novemberwochen vergingen wie im Fluge. Oft traf ich mich mit Karl alleine in Dresden. Wir gingen dann meist in das Café in der Prager Straße. Wenn ich mich richtig erinnere, so hieß es ›Café Kreutzer‹ oder so ähnlich. Es gab ab Mitte November schon Dresdner Stollen. Natürlich rationiert. Aber man saß gemütlich, und es war vor allem warm in dem Raum. Wenn wir die Prager Straße in Richtung Altmarkt gingen, hakte ich mich immer an der linken Seite bei Karl ein. In der rechten Hand hielt er seinen Stock, um sich zu stützen. Für Karl war das umständlich. Er musste entgegenkommenden Soldaten den Gruß erwidern, war es ein höherer Offizier, so hatte Karl zuerst zu grüßen. So brachte ich ihn einmal fast in eine Notsituation, als wir einen hohen Offizier mit seinem Burschen trafen. Gerade sprach ich Karl an, sah von der Seite zu ihm auf, als er versuchte, sich von mir zu befreien. Karl blieb einfach stehen. So wurde ich aufmerksam und ließ ihn los. Es war ein älterer Offizier, der uns lächelnd beobachtete und Karls Gruß erwiderte.
Beim Vorbeigehen sah er mich an, nickte mir freundlich zu und versicherte:
»Das war schon in Ordnung.«
Mein 18. Geburtstag stand vor der Tür. Die Post kam schon länger nicht mehr regelmäßig. Doch ein kleines Päckchen erreichte mich rechtzeitig von zu Hause. Mutter hatte ein Stückchen Seife aus der Schweiz, eine Tafel Schokolade und ein Päckchen Nudeln geschickt. Und 50 g Bohnenkaffee! Wir machten Pläne für diesen Tag. Am zeitigen Abend wollten unsere beiden Freunde kommen. Hedy tauchte am frühen Nachmittag auf und brachte einen Apfelkuchen, ein paar Eier und ein Stückchen Butter. Was war das für ein reiches Beschenken! Über Hedys Besuch freute ich mich besonders. Auch Frau Rudolph kam zum Gratulieren. Schon vorher hatte sie uns die Kostbarkeit Kaffee gemahlen, den wir dann zu viert mit Hochgenuss zum Apfelkuchen genossen.
Sehr schön wurde dann der Abend. Karl und Laurenz kamen gegen 18 Uhr. So aufgeregt war ich schon lange nicht mehr. Ich freute mich unendlich auf Karl. Es war schön warm in unserem Stübchen. Gisela hatte bereits den Tisch für unsere Freunde neu gedeckt. Sogar ein paar Blumen standen da. Wir wollten gemeinsam essen. Geplant waren Rühr- oder Spiegeleier. Das Weißbrot, das nicht mehr ganz frisch war, wollten wir toasten. Für Getränke sollte Laurenz sorgen. Dann wollten wir einfach beisammen sein, erzählen, uns in die Augen sehen. Als Erster kam Laurenz zur Tür herein, ließ dann aber Karl den Vortritt, damit er mir zuerst gratulieren konnte. Er legte ein Päckchen auf den Tisch, daneben kam ein Briefumschlag, adressiert an ›Petra – von Deinem Karl‹. Gisela und Laurenz blieben im Flur und unterhielten sich. Es war wohl Absicht, damit Karl und ich einen Moment allein sein konnten. Karl nahm mich einfach in die Arme, sah mich fest an und küsste mich.
»Mein kleines Mädchen, ich wünsche dir alles Gute, mögen deine Wünsche in Erfüllung gehen. Wenn du es wissen möchtest, was ich mir wünsche, obwohl ich keinen Geburtstag habe, dann sage ich es dir.«
»Sag es, sag es!«, bat ich hastig und schaute Karl an. Er hielt mich noch immer in seinen Armen, als er sprach und mich dabei fest an sich drückte: »Ich wünsche mir für uns alle, dass der Krieg bald zu Ende geht und wir dann zusammen hier wohnen könnten. Ich nehme mein Studium auf, du beendest deine Schule, wir sind täglich beieinander, machen alles gemeinsam. Und stehen in jeder Lebenslage fest zueinander.«
»Das wäre schön.« Ich war den Tränen nahe. »Meinst du, Karl, unsere Wünsche könnten Wirklichkeit werden?«
»Wenn der Herrgott uns weiterhin beschützt, dann schaffen wir es!«
Ich drückte mich fest an ihn. Trotzdem war noch so viel
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