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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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eingesetzt gewesen waren und so viel Elend gesehen hatten. In welchem trostlosen Zustand die Menschen waren und wie verzweifelt. Statt ihnen Mut zu machen, hatte ich nur die eigene Hilflosigkeit gespürt. Wie konnte man diesen Menschen nur helfen? Dies alles machte mich so fassungslos, dass ich vergaß, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. So sprach ich eben aus, was vielleicht viele nur dachten. Ich erzählte den Wortlaut und wurde dabei schon etwas ruhiger.
    »Mädel, weißt du, dass du mehr Glück hattest als Verstand? Du darfst nicht so leichtsinnig mit Worten umgehen, du rennst noch ins Verderben.«
    »Du, Hedy, hättest bestimmt noch heftiger reagiert als ich, wenn du dieses Elend gesehen hättest.«
    »Mag sein«, räumte Hedy ein, »ich bin eine alte Frau, aber du fängst doch gerade erst an. Du weißt doch noch gar nicht, wie schön das Leben sein kann.«
    »Vielleicht weiß ich ein bisschen davon.« Ich erzählte von Karls Brief und dass wir auch für die Zeit nach dem Krieg Pläne machten.
    »Na siehst du, mein Mädel, dafür lohnt es sich doch. Aber du darfst keine derartigen Äußerungen mehr machen. Du schadest dir nur, ohne dabei jemandem helfen zu können. Versprich uns das.« Dieses Versprechen gab ich den beiden, und vor allem wollte ich Karl auch nicht enttäuschen. Hedy meinte, ich solle die Nacht über bei ihnen bleiben, aber das ginge nicht, erklärte ich den beiden. Gisela wusste nicht, wo ich war, und machte sich sicher große Sorgen. Wie sollte ich sie benachrichtigen? Außerdem wollte ich der Schule nicht fernbleiben.
    »Alles klar«, entschied Max, »wir machen Folgendes: Wir schieben jetzt mein Fahrrad bis zum Bahnhof Niederau. Dort setzt sich das kleine große Mädchen auf den Gepäckträger und wir fahren mit dem Fahrrad bis Weinböhla. Danach steigen wir in die Straßenbahn bis Radebeul. An der Haustüre, das heißt, wenn da alles in Ordnung ist, liefere ich dich ab und fahre auf demselben Weg wieder zurück.«
    »Aber wo bleibt dein Fahrrad, Max«, fragte ich ihn, »und wird es dir nicht zu anstrengend?«
    »Mein Fahrrad gebe ich am Gepäckschalter in Aufbewahrung. Allerdings muss es bis spätestens 20 Uhr abgeholt werden. Aber das schaffen wir allemal. Um deine Frage zu beantworten, ob es mir zu viel wird, muss ich gestehen, ich weiß eher nicht, wie ich das alles hinter mich gebracht hätte, was du am heutigen Tag erlebt hast. Aber mach dir um mich keine Sorgen. Das schaffe ich ganz bestimmt.« Hedy packte mir noch ein paar Eier, Äpfel und ein Viertel von ihrem frisch gebackenen Brot ein. Es tat gut, so umsorgt zu werden. Gebe es der Himmel, dass ich an den beiden einmal wenigstens einen Teil gutmachen könnte, was sie alles bisher für mich getan hatten!
    Es dunkelte schon sehr früh. Max und ich machten uns auf den Weg nach Radebeul. Wir sprachen nicht viel. Wir hingen, jeder für sich, unseren eigenen Gedanken nach. Hoffentlich gab es keine böse Überraschung für mich, wenn wir in Radebeul ankamen. Von meiner Angst erzählte ich Max nichts. In der Straßenbahn saßen wir nebeneinander. Oft sah er mich von der Seite an und forschte in meinem Gesicht. Es war schwer, seine Gedanken zu erraten. In Radebeul angekommen, war es bereits dunkel. Wir ließen uns Zeit, um den Augustusweg 22, und damit unser Häuschen, zu erreichen. Ich drehte mich nicht um, auch wenn ich Schritte hinter uns vernahm. Ich muss gestehen, ich hatte große Angst, plötzlich gepackt und mitgenommen zu werden. Das Haus von Frau Rudolph war in Sicht. Nun war nur noch der kurze Gartenweg bis zu unserem Häuschen zu bewältigen. Mein Herz klopfte bis zum Hals, als Gisela die Haustür öffnete, uns erst erschrocken ansah und schließlich erleichtert aufatmete, als ich ihr Max vorstellte. Bisher hatte Gisela keine Gelegenheit gehabt, Max kennenzulernen, da er bei ihren Besuchen immer irgendwo beschäftigt oder unterwegs war.
    »Kommt schnell herein. Wir haben Besuch«, erklärte sie. Ich schob ihn durch die Haustür.
    »Komm, Max, du musst dir unbedingt unser Hexenhäuschen ansehen.«
    Beim Eintreten in das kleine Wohnzimmer war die Überraschung groß. Karl und Laurenz saßen da, obwohl ich erst für den nächsten Tag mit Karl verabredet war. Ich stellte Max als meinen Ersatzvater vor, lobte ihn, dass er den Weg auf sich genommen und nun noch einmal die Strapazen des Heimweges vor sich habe.
    Dann ging ich zu Karl, fasste ihn am linken Arm und stellte vor:
    »Max, das ist Karl, mein Freund.«
    Karl ging auf Max

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