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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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alles passieren kann.«
    »Da bin ich aber wirklich froh. Es ist doch schon alleine auffallend, wenn eine halbe Portion wie du einen solchen Rucksack schleppt. Da könnte man vermuten, du wärst auf Hamstertour. Aber ich habe für dich etwas mitgebracht. Karl hat Laurenz gebeten, dieses Briefchen an dich weiterzuleiten«, sagte Gisela mit einem verschmitzten Lächeln.
    Meine Augen strahlten, als ich die wenigen Zeilen las:
    ›Für kommenden Samstag habe ich zwei Karten bekommen für ein Konzert ›Romanze für Violine und Orchester N 2‹. Rate mal, von wem? Es spielt das Dresdner Symphonie-Orchester in der Semperoper. Beginn 20 Uhr, bitte sei pünktlich am Theaterplatz! Mach dich hübsch, meine kleine Petra, ich freu mich auf dich! Alles Liebe, bis dahin.‹
    Fast hätte ich meine Tränen nicht unterdrücken können. Wie oft hatte ich mir schon gewünscht, ein Konzert zu besuchen. Aber woher die Karten bekommen? Das war ein sehr schwieriges Unterfangen.
    Nun ging dieser Wunsch in Erfüllung. Das Schönste aber war, dass Karl bei mir sein würde. Wir konnten es gemeinsam erleben. Karl würde neben mir sitzen und meine Hand halten und mein Herz würde sich weit öffnen. Seine Nähe würde mich alles rund um uns herum vergessen lassen, es würde dann nur uns beide geben.
    Trotzdem widmete ich dem Konzert zunächst meine ganze Aufmerksamkeit. Die Musik von Ludwig van Beethoven, Karl und ich zusammen, wir drei waren völlig ineinander verschmolzen. Gerade spürte ich, wie der Druck seiner Hand nachließ, Karl ganz leise aufstand und, den Zeigefinger auf den Mund legend, zum Nebenausgang eilte. Ein kurzer Fingerzeig, so schien es mir, genügte und die Tür wurde ganz leise geöffnet. Karl ging nach draußen. Ich war einen Moment so verloren, so klein, dass das Gefühl in mir aufstieg, ich träumte einen schlimmen Traum. Wir saßen ganz außen am Durchgang, so wurde auch niemand gestört. Aber selbst die Musik konnte mich nicht mehr in die Anfangsstimmung zurückversetzen. Ständig sah ich nach der Tür, sie blieb verschlossen bis zur Pause. Schon überlegte ich mir, ob ich hinausgehen sollte, um nach Karl Ausschau zu halten. Dann stand er auf einmal wieder neben mir, blass, wie es mir schien, mit einem gequälten Lächeln und der Entschuldigung, er habe plötzlich sehr starke Kopfschmerzen bekommen. Er musste etwas frische Luft haben und eine Tablette nehmen. Aber nun ginge es wieder.
    »Es tut mir leid«, sagte er leise, »ich wollte dir den Abend nicht verderben.«
    »Das hast du nicht«, versicherte ich ihm, »wenn du möchtest, verzichten wir auf den zweiten Teil des Konzerts, damit du zurück in das Lazarett fahren kannst.«
    »Nein, nein«, wehrte Karl ab, »es ist alles geregelt, auch mit einer Verlängerung der Ausgehzeit. Wenn ich zurück bin, kümmert sich die diensthabende Schwester um mich. Für den Fall, dass ich noch etwas brauche an Medikamenten.« Bis zum Ende des Konzerts hielt Karl durch, doch ich hatte nur mehr Augen für ihn. Von der Seite beobachtete ich ihn immer wieder. Er drückte einmal besonders fest meine Hand und zwinkerte mir zu, als wollte er mir zu verstehen geben: ›Alles ist gut.‹
    Zur Haltestelle war es für uns beide nicht sehr weit. Ich bat Karl, sofort zurückzufahren. Ich wollte ihn nur noch zur Straßenbahn begleiten. Erst lehnte er ab und meinte, er wolle doch warten, bis ich in meiner Bahn saß und nach Hause fuhr. Aber ich bestand darauf, dass wir es eben umgekehrt machten. Beim Einsteigen warf mir Karl einen langen, fast traurigen Blick zu und winkte zum Abschied. Ich blieb stehen und sah der Bahn nach, bis sie aus meinem Blickwinkel verschwand. Meine Gedanken aber begleiteten ihn. Ich machte mir Sorgen um Karl. Konnte es doch sein, dass seine Verwundung nicht ohne Folgen geblieben war? Er selbst war zwar optimistisch, machte Pläne für eine Zeit nach dem Krieg für uns beide. Ganz selbstverständlich sehnten wir uns nach einer dauerhaften Bindung. Doch schob ich diese düsteren Gedanken weg, es gab bestimmt Möglichkeiten herauszufinden, was ihm half und wie die Schmerzen eingedämmt werden konnten.
    Wir hatten zwar keinen genauen Termin für ein Wiedersehen verabredet, aber ich war mir ganz sicher, dass die beiden Männer einfach demnächst gemeinsam wieder bei uns auftauchen würden. Sie kannten doch den Weg zu unserem Häuschen.
    Als ich heimkam, brannte noch Licht. Gisela wartete auf mich. Laurenz sei pünktlich zurückgefahren, meinte sie. Sie wollte natürlich auch

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