Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction
jener Dinge erfreuen sollten, die der erste John J. Webster geschaffen hatte.
Jerome A. Webster fühlte, wie sich seine Kiefermuskeln anspannten, spürte ein schwaches Zittern durch seinen Körper laufen. Einen Augenblick lang brannten seine Augen, der Sarg verschwamm vor seinem Blick, und die Worte, die der Mann in Schwarz sagte, waren eins mit dem Wind, der in den Fichten flüsterte, die die Totenwache hielten. In ihm wurde eine Erinnerung wach – die Erinnerung an einen grauhaarigen Mann, der auf Feldern und Hügeln umherwanderte, die Brise eines frühen Morgens einsog, breitbeinig vor dem flackernden Feuer stand, ein Glas Kognak in der Hand.
Stolz – der Stolz auf Land und Leben, Demut und Größe, die ein ruhiges Leben in einem Mann erzeugten, die Zufriedenheit freier Stunden und Klarheit des vor ihm liegenden Weges. Unabhängigkeit und unerschütterliche Sicherheit, die Annehmlichkeit einer vertrauten Umgebung, die Freiheit des weiten Horizonts.
Thomas Webster stieß ihn an. »Vater«, flüsterte er. »Vater.«
Die Totenfeier war vorüber. Der schwarz gekleidete Mann hatte sein Buch zugeklappt. Sechs Roboter traten vor, hoben den Sarg auf die Schulter.
Langsam folgten die drei ihnen in die Krypta, standen stumm und mit gesenktem Kopf da, als die Roboter den Sarg in die Nische schoben, das kleine Gitter davor wieder schlossen und eine Tafel anbrachten, auf der stand:
NELSON F. WEBSTER 2034-2117
Das war alles. Nur die Namen und Jahreszahlen. Und das, dachte Jerome A. Webster, war genug. Nichts anderes hatte dort zu stehen, wie auch bei allen anderen. Diejenigen, mit denen es begonnen hatte: William Stevens, 1920-1999. Gramp Stevens hatte man ihn genannt, entsann sich Webster. Vater der Frau des ersten John J. Webster, der auch hier lag, 1951-2020. Und nach ihm sein Sohn Charles F. Webster, 1980-2060. Und dessen Sohn, John J. II, 2004- 2086. Webster konnte sich an John J. II erinnern – seinen Großvater, der oft mit der Pfeife im Mund neben dem Kaminfeuer eingenickt war, immer in Gefahr, seinen Bart in Brand zu setzen.
Websters Blick wanderte zu einer anderen Tafel. Mary Webster, die Mutter des Jungen an seiner Seite. Eigentlich kein Junge mehr. Er vergaß immer, dass Thomas jetzt schon zwanzig war und in ein, zwei Wochen zum Mars fliegen würde, wie er in seinen jungen Jahren zum Mars geflogen war.
Alle hier versammelt, dachte er. Die Websters, ihre Frauen und Kinder. Im Tod beieinander, wie sie miteinander gelebt hatten, in der stolzen Sicherheit von Bronze und Marmor unter den Fichten schlafend, mit der symbolischen Gestalt über der vom Alter mit Grünspan gesprenkelten Tür.
Die Roboter warteten stumm.
Seine Mutter sah ihn an. »Jetzt bist du das Haupt der Familie, mein Sohn«, sagte sie.
Er breitete die Arme aus und drückte sie fest an sich. Haupt der Familie – was von ihr geblieben war. Nur drei noch. Seine Mutter und sein Sohn. Und sein Sohn würde bald weggehen, hinaus zum Mars. Aber er würde zurückkommen. Mit einer Frau vielleicht, und die würde weiterleben. Die Familie würde nicht auf drei Personen beschränkt bleiben. Man brauchte dann nicht mehr den größten Teil des Hauses abzuschließen, wie es jetzt geschah. Früher war es voller Leben gewesen; die Wohnungen unter dem großen Dach hatten vielen Familienmitgliedern Platz geboten. Diese Zeit würde wiederkehren, das wusste er.
Sie verließen die Krypta und gingen zurück zum Haus, das sich im Nebel wie ein riesiger grauer Schatten abzeichnete.
Im Kamin flackerte ein Feuer, das Buch lag auf seinem Schreibtisch. Jerome A. Webster griff danach und las noch einmal den Titel:
Physiologie der Martianer , unter besonderer Berücksichtigung ihres Gehirn s
von D R . J EROME A. W EBSTER
Umfangreich und maßgebend – die Arbeit eines ganzen Lebens. Auf seinem Gebiet beinahe von einsamer Größe. Gestützt auf Daten, die er in den fünf Seuchenjahren auf dem Mars gesammelt hatte – in den Jahren, als er mit seinen Kollegen von der medizinischen Kommission des Weltkomitees beinahe Tag und Nacht gearbeitet hatte, als Hilfsmission zum Nachbarplaneten entsandt …
Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken.
»Herein.«
Die Tür ging auf, und ein Roboter glitt herein.
»Ihr Whisky, Sir.«
»Danke, Jenkins«, sagte Webster.
»Der Pfarrer ist gegangen«, erklärte Jenkins.
»Ah ja. Ich nehme an, du hast dich um ihn gekümmert.«
»Gewiss, Sir. Ich habe ihm das übliche Honorar gezahlt und ihm einen Drink angeboten. Er
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