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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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ein nasser Waschlappen durch Livias Gesicht wischte. „Hör jetzt auf“, knurrte sie ärgerlich. „Ich bin müde und will schlafen.“
    Daraufhin entfernte sich die Hundeschnauze. Dafür begann das Winseln von Neuem.
    Als Livia vorsichtig ihr linkes Auge öffnete, wurde sie von gleißend hellem Licht geblendet, erkannte aber einen Schatten, der aufgekratzt vor ihrem Bett hin und her lief. „Was ist denn los?“, nuschelte sie verwirrt. „Wie spät ist es?“
    Da Spike nicht antwortete, war sie gezwungen, selbst auf ihre Uhr zu sehen. Sie tastete auf dem Nachtschränkchen nach ihrer Armbanduhr, warf dabei ein leeres Glas auf den Teppichboden und fand endlich, was sie suchte. Da es so fürchterlich hell war, brauchte sie mehrere Anläufe, bis sie endlich die Uhrzeit entziffern konnte. Viertel nach elf …
    Livia seufzte tief und konnte Spikes Verhalten auf einmal verstehen. Wahrscheinlich musste er mal. Ob Arvin noch da war? Normalerweise wartete er, bis Livia wach war, damit er noch einen kleinen Gang mit Spike unternehmen konnte. Aber Viertel nach elf? Das war wirklich außergewöhnlich spät!
    Sie rappelte sich in eine sitzende Position, kämpfte aber immer noch mit ihren Augen. Sie ließen sich einfach nicht richtig öffnen.
    Spike bellte unterdrückt.
    „Ich komm ja“, murmelte Livia und hob die Beine aus dem Bett. Täuschte sie sich oder wackelte das Bett hin und her? „Oh Mann“, stöhnte sie und kühlte mit der rechten Hand ihre pochende Stirn. Dann versuchte sie aufzustehen. Im ersten Moment ging das auch ganz gut, aber als sie schließlich stand, spürte sie sofort, dass mit ihrem Gleichgewichtssinn irgendetwas nicht in Ordnung war. Sie wusste ja kaum noch, wo oben und unten war!
    Um das Schlimmste zu verhindern, ging sie eilig in die Hocke. Gleichzeitig wurde ihr klar, dass hier irgendetwas nicht ganz nach Plan lief. Sie konnte weder stehen noch geradeaus gehen. Sie konnte nicht einmal klar sehen! „Arvin“, krächzte sie und kämpfte sich gleichzeitig auf ihre Knie. „Arvin!“ Er musste doch noch da sein! Er verließ nie das Haus, ohne eine Runde mit Spike zu drehen.
    „Spike“, flüsterte Livia entsetzt. Obwohl ihr die Umgebung verzerrt erschien, konnte sie erkennen, dass auch der Hund nicht ganz er selbst war. Soeben hatte er begonnen, sich im Kreis zu drehen. Außerdem war das Winseln, das er von sich gab, eine Spur kläglicher geworden. Hinzu kam noch, dass es so aussah, als stünde die Schlafzimmertür sperrangelweit offen.
    Das alles ließ nur einen Schluss zu …
    Mit einem Ausdruck plötzlicher Entschlossenheit im Gesicht drehte sich Livia um ihre eigene Achse und versuchte, auf allen vieren vorwärtszukommen. Unglücklicherweise fühlten sich ihre Gliedmaßen an, als hätte sie jemand mit Gewichten bestückt. Sie kam einfach nicht richtig vom Fleck.
    Das Fenster! , hämmerte es in ihrem Kopf. Das Fenster! Mit einer Willenskraft, die wirklicher, tiefer Angst entsprang, kämpfte sie sich Meter um Meter vorwärts. Dabei rang sie verzweifelt darum, nicht das Bewusstsein zu verlieren.
    Als sie es bis zur Wand geschafft hatte, krallte sie sich mit beiden Händen an der Fensterbank fest, zog sich mit einem Stöhnen in die Höhe und stützte ihren Oberkörper auf der Fensterbank ab. Inzwischen drehte sich alles um sie herum und das Winseln des Hundes war zu einem verzerrten Fiepen geworden. Auch der Garten, den sie durch das Fenster sehen konnte, war nicht mehr als ein grünliches Durcheinander. „Gunda!“ Es war kaum mehr als ein Röcheln, was aus ihrem Mund kam. Sie musste hier raus. Sie musste .
    Du bist so nah dran …
    Sie schloss die Augen, um gegen den alles verschlingenden Schwindel anzukämpfen, und streckte die linke Hand in die Höhe. Dann tastete sie verzweifelt nach dem Fenstergriff. Aber da war nichts, nur eine glatte Fläche. Sie probierte es höher, weiter links, nochmals höher … Da! Ihre Hand packte zu, als würde sie nie wieder loslassen. In der Position, in der sie sich jetzt befand, schien es ihr noch schlechter zu gehen. Sie atmete hektisch, hustete. Ihre Lungen schienen zu brennen, eine dunkle, schwarze Wand zerrte an ihrem Bewusstsein. „Nein“, flüsterte sie, schob den Griff in die Höhe und zog daran.
    Und tatsächlich, das Fenster öffnete sich einen Spaltbreit, klatschte jedoch gegen ihr Gesicht und wurde von ihr selbst aufgehalten. Sie versuchte, die frische Luft einzuatmen, spürte aber, dass nicht viel zu ihr vordrang. Der Druck des Fensters gegen Livias

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