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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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Gesicht war erstaunlich stark. Mehrmals klatschte es gegen ihr Gesicht, bevor es schließlich siegte und Livia wie einen Blumentopf von der Fensterbank wischte.

Kapitel 24
    „Ich kann den Termin nicht einhalten“, beharrte Arvin. „Keine Chance!“
    „Du kannst schon, du willst bloß nicht“, schnaubte Enno. Er saß mit einer Pobacke auf Arvins Schreibtisch und sah ihm beim Programmieren zu.
    Arvin hörte auf, die Tastatur seines PCs zu bearbeiten, und lehnte sich mit einem Seufzer auf seinem schwarzen Ledersessel zurück. „Wenn ich’s doch sage, Enno, ich kann nicht. Ich hab dir schon damals gesagt, dass du mich nicht so unter Druck setzen sollst. Deine Termine sind absolut nicht zu schaffen.“
    Enno verschränkte die Arme vor der Brust und maulte: „Früher bist du immer zur Hochform aufgelaufen, wenn du Termindruck hattest. Und jetzt? Du weißt doch schon länger, dass es knapp wird. Trotzdem lässt du gegen halb fünf den Stift fallen und gehst nach Hause. Verstehst dich wohl mit deinem Frauchen wieder besser, was?“
    Arvin nahm seine Brille ab und begann sie an seinem T-Shirt zu putzen. „Ich gehe wegen Spike“, knurrte er, „und ich hab keine Lust, über Livia zu sprechen, okay?“
    „Jetzt komm schon, Arvin“, säuselte Enno. „Ich bin dein Freund. Und ich bin neugierig. Sag mir wenigstens, wie sie sich gibt.“ Er fuhr mit seinen Fingern über seinen schmalen Bart. „Spielt sie immer noch das nette Mädchen von nebenan?“
    Arvin antwortete nicht gleich, sondern schrubbte hektisch auf einem kleinen hellen Fleck herum, der sich mitten auf seinem linken Brillenglas befand. Irgendwann murmelte er dann: „Wegen der Amnesie, meinst du?“ Und dann seufzte er tief. „Das Problem ist nicht, ob sie Amnesie hat oder nicht. Das Problem ist, dass es mir so schwerfällt, Livia in ihr zu sehen. Ich muss mich immerzu daran erinnern. Sie sieht nicht aus wie Livia, sie spricht nicht wie Livia, sie verhält sich nicht so. Wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich behaupten, man hätte mir ein Kuckucksei ins Nest gelegt.“
    „Vielleicht hat sie sich von Grund auf geändert“, überlegte Enno.
    „Ach, hör auf“, wiegelte Arvin ab. „Menschen ändern sich nicht, wenn sie einen Autounfall haben. Wenn sie Gott begegnen vielleicht. Aber nicht, wenn sie einen Autounfall haben.“
    „Also spielt sie das Ganze“, schlussfolgerte Enno rasiermesserscharf.
    Arvin setzte die Brille wieder auf und knurrte: „Wahrscheinlich glaubt sie, ich würde ein zweites Mal auf sie hereinfallen. Aber da hat sie sich getäuscht. Selbst ich bin lernfähig, das kannst du mir glauben.“
    Enno verschränkte die Arme vor der Brust. „Sicher?“, fragte er und sah Arvin prüfend an. „In letzter Zeit bist du irgendwie nicht du selbst. Du wirkst … ich weiß auch nicht … irgendwie nervös.“
    Arvin streifte seinen Freund mit einem kurzen Blick, sah dann auf seine Hände und spielte gedankenverloren damit herum. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er endlich antwortete. „Ich kann nicht so weitermachen, Enno“, sagte er heiser. „Einerseits zieht es mich nach Hause – schon wegen Spike –, andererseits ist sie dort.“ Er stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus und murmelte mehr zu sich selbst als zu Enno: „Ich darf mich auf keinen Fall an sie gewöhnen! Auf gar keinen Fall!“
    Er hatte den Satz gerade ausgesprochen, als vom Flur her Stimmen zu vernehmen waren.
    Enno sah Arvin fragend an. „Also ich erwarte niemanden. Du?“
    Arvin schüttelte den Kopf, erhob sich und ging zur Tür. Er hatte allerdings erst die Hälfte des Weges zurückgelegt, als sie sich von selbst öffnete und Frau Baumann, die Bürokraft, ins Zimmer stürmte. „Tut mir wirklich leid, Herr Scholl“, plapperte sie aufgeregt drauflos. „Die Herren ließen sich einfach nicht aufhalten.“
    Arvins Blick fiel auf zwei Männer, die Frau Baumann auf dem Fuße folgten. Den einen der beiden kannte er bereits. Er war ein riesiger Kerl namens Walther und von Beruf Polizeibeamter. Arvin hatte ziemlich unangenehme Erinnerungen an seine erste Begegnung mit ihm. Damals, als Livia Spike geholt hatte und der Wagen der Lorenzens von einem Stein getroffen worden war, hatte er ihm ziemlich viele dumme Fragen gestellt. „Herr Scholl“, begann er, „ich verhafte Sie wegen Mordversuchs an Ihrer Ehefrau. Ich muss Sie bitten, mir aufs Revier zu folgen.“
    „Was? Was? Was?“, rief Arvin entsetzt. „Was ist mit Livia?“
    Auch Enno war inzwischen aufgesprungen.

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