Als gaebe es kein Gestern
Glastür und betätigte dadurch eine melodische Klingel. Vor ihr lag jetzt ein klitzekleiner Laden von höchstens zehn Quadratmetern, der mit Blumen und verschiedenen Arrangements geradezu vollgestopft war. Im hinteren Teil des Raumes befand sich ein kleiner Tresen, dahinter eine Tür, die in einen weiteren Raum zu führen schien.
Es dauerte einen Moment, dann hörte Livia ein Schlurfen. Im nächsten Moment betrat eine extrem kleine und ziemlich dicke Frau durch die Hintertür den Laden. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie in energischem Tonfall.
Livia hatte das Gefühl, dass der kleine Raum jetzt vollständig ausgefüllt war, und wich unwillkürlich einen halben Schritt zurück. „Das … das Schild. Sie … suchen eine Aushilfe, nicht wahr?“
Die Frau musterte Livia erst einmal von Kopf bis Fuß und gab Livia dadurch die Möglichkeit, es ihr gleichzutun. Sie war wirklich klein, sogar ein ganzes Stück kleiner als sie selbst. Und sie trug ein Hemd, das viel Ähnlichkeit mit einem Herrenoberhemd hatte. Es war an den Ärmeln mehrmals umgeschlagen. „Ich brauche jemanden, der anständige Sträuße binden kann“, erklärte die Frau.
Livia schluckte und bewegte unwillkürlich die Finger ihrer rechten Hand. „Ich bin gelernte Floristin“, antwortete sie tapfer. Nur schade, dass sie sich an ihre Ausbildung nicht erinnern konnte …
„Ich geb hier nichts auf Zertifikate“, knurrte die Frau. „Was ich brauche, sind gelungene Sträuße.“
„Das krieg ich hin“, versicherte Livia, fühlte sich mit dieser Aussage aber nicht wirklich wohl in ihrer Haut. Sie trat unruhig von einem Bein aufs andere.
„Aber?“, fragte ihr Gegenüber denn auch.
Livia seufzte tief. „Ich hab die Sträuße im Kopf“, bekannte sie leise. „Ich weiß bloß nicht, ob ich sie binden kann.“
Die Frau verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Versteh ich nich …“
Livia atmete einmal tief durch, nahm ihren ganzen Mut zusammen und sagte: „Ich hatte einen schweren Verkehrsunfall und kann meine rechte Hand nicht mehr richtig benutzen. Im Grunde … hab ich keine Ahnung, ob ich hier was zustande kriegen würde …“
Der Blick der Frau wurde eine Spur weicher. „Wir können es ja mal probieren …“
Livias Gesicht erhellte sich. „Wirklich?“, fragte sie aufgeregt.
Die Frau nickte, marschierte in den hinteren Raum und bedeutete Livia, ihr zu folgen. Der Raum war doppelt so groß wie der vordere. Hier gab es alles, was man brauchte, um Sträuße zu binden: jede Mengen Blumen in Gefäßen, die auf dem Boden standen, dazu Grünzeug, Draht, Dekomateralien, Bänder, Papier und einen großzügigen Tresen.
Sie waren kaum dort hinten angekommen, als es auch schon wieder klingelte.
„Hier“, sagte die Frau und drückte Livia einen kleinen Zierkohl in die Hand. „Mach was draus!“ Mit diesen Worten verschwand sie erneut im Ladenbereich.
Livia schluckte und betrachtete erst einmal, was sie in der Hand hielt. Der Zierkohl stellte so manche Blume in den Schatten und bestand aus extrem vielen Schichten, die am Rand wie eine Gardine gerafft waren und durch die Kombination von zartem Grün und tiefem Lila bestechend schön wirkten. Daraus ließ sich nun wirklich etwas machen …
Livia begann zu lächeln, sah sich um und machte sich gleich danach mit Feuereifer ans Werk. Es war, wie sie beschrieben hatte. Sie hatte den Strauß in null Komma nichts im Kopf, tat sich aber schwer mit der Ausführung. Je größer und schwerer der Strauß wurde, desto schwieriger war es, ihn mit der rechten Hand zu bändigen. Zweimal glitschte ihr das halb fertige Werk aus der Hand, dann kam ihr die Idee, jede einzelne Schicht mit Draht zu fixieren. Jetzt konnte er wenigstens nicht mehr auseinanderfallen. Dadurch wurde auch das Festhalten einfacher.
Im Laden klingelte es inzwischen zweimal nacheinander.
Das gab Livia die Zeit, die sie brauchte. Sie arrangierte den Kohl in der Mitte und am höchsten Punkt, umgab ihn erst mit zartgrünem Kraut, dann mit lila Gerbera und anschließend wieder mit zartgrünem Kraut. Nach außen hin fiel der Strauß in der Höhe immer mehr ab. Den Abschluss bildete violettes Papier, das Livia ähnlich wie die Blätter des Kohles zusammendrapierte.
Livia war noch damit beschäftigt, das Ganze fest mit Draht zu umwickeln, als die dicke Frau zurückkehrte.
„Wow“, sagte sie erstaunt. Dann betrachtete sie den Strauß genauer, bewegte die Lippen, so als würde sie etwas zusammenrechnen, und sagte: „Das ist genau
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