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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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vielen Dinge, die zu regeln waren, vor, um sich bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit allein ins Wohnzimmer zurückzuziehen.
    Mit der Zeit fragte sich Livia, was er dort wohl tat. Weinte er? Sah er sich Fotos von Karen an? Oder unterdrückte er all seine Trauer?
    Sechs Tage nach Karens Tod wurde ihre Leiche zur Beerdigung freigegeben. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit wurde die Beerdigung bereits auf den darauffolgenden Freitag terminiert.
    Arvin hielt es für besser, wenn Vanessa nicht daran teilnahm, und so packte die Kleine nach der Schule ihre Koffer, um das Wochenende bei ihrer Freundin Franziska zu verbringen.
    Livia hingegen nahm das letzte bisschen Kraft zusammen, um auch diese Veranstaltung mit Würde hinter sich zu bringen.
    Der Pastor, der die Beerdigung leitete, war der Pastor aus Arvins und Karens Kirchengemeinde. Livia hatte ihn also schon einmal gesehen.
    Er hielt eine hervorragende Predigt, würdigte Karens Leben als aufopfernde Mutter, Schwester und Schwägerin und raubte Livia damit das letzte bisschen Selbstbeherrschung. Während die Tränen in Strömen ihre Wangen hinunterrannen, fragte sie sich ununterbrochen, warum Arvin nicht weinte. Obwohl er direkt neben ihr in der ersten Reihe saß, verzog er während der gesamten Predigt keine einzige Miene, sondern saß einfach nur so da.
    Ähnlich verhielt es sich, als Karens Sarg in die Erde hinuntergelassen wurde. Während Livia von unkontrollierbaren Schluchzern geschüttelt wurde, stand Arvin ruhig am Rand des Erdlochs und schien völlig unberührt.
    In Anbetracht der Tatsache, dass sich Livia nicht unter Kontrolle hatte, war sie heilfroh, dass Arvin in der Zeitungsannonce darum gebeten hatte, von Beileidsbekundungen am Grab Abstand zu nehmen. Als sie dann allerdings feststellte, dass sich die Zurückhaltung auch auf das anschließende Kaffeetrinken erstreckte, war Livia ein wenig geknickt. Da Arvin alle Besucher kannte und mit vielen ein Gespräch führte, saß Livia ganz allein an ihrem Tisch und fühlte sich wie eine Aussätzige. Nicht einmal Frau Schneider war gekommen! Livia hatte in einem Nebensatz mitbekommen, dass sie mit einer schweren Bronchitis im Bett lag.
    Irgendwann war Livia so vereinsamt, dass sie sich sogar schon bei der Frage ertappte, wo Enno eigentlich war. Er hätte sich bestimmt mit ihr unterhalten … Als ihr dann allerdings die Tragweite dieses Gedankens bewusst wurde, errötete sie fast vor Scham. Karen hätte bestimmt nicht gewollt, dass Enno auf ihrer Beerdigung auftauchte. Und ganz bestimmt würde sie sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüsste, dass sich Livia in letzter Zeit wieder ein paarmal mit ihm getroffen hatte …
    Nach einem Zeitraum, der Livia wie eine halbe Ewigkeit vorkam, begannen sich die ersten Gäste zu verabschieden. Obwohl sie jetzt ein bisschen gefordert war und zumindest ein paar Hände schüttelte, gefiel Livia auch das nicht. Irgendwie kam es ihr so vor, als würde etwas durch ihre Finger rinnen, was sie noch gar nicht aufzugeben bereit war …
    Aber es gab keine Möglichkeit, es aufzuhalten.
    Gegen halb sechs verschwand der letzte Gast und Livia blieb mit Arvin allein zurück.
    „Was …“ Livia musste sich erst räuspern, bevor sie ihren Satz zustande brachte. „Was machen wir jetzt?“ Während sie dies fragte, eilten ein paar Kellnerinnen an ihr vorbei. Sie waren noch damit beschäftigt, den restlichen Kaffee samt Kuchen und belegten Brötchen abzuräumen.
    „Wir fahren nach Hause.“
    Livia hatte den Impuls zu widersprechen. Wusste Arvin denn nicht, dass es kein wirkliches Zuhause mehr war? Dass sie dort alles an Karen erinnerte? Dass Karen dort gestorben war? Und dass sie sich ernsthaft fragte, wie sie ohne Vanessa die Nacht überstehen sollte? Aber Arvins Körperhaltung war so abwehrend und so negativ, dass sie nicht wagte, ihm ihre Gedanken mitzuteilen. Und so schwieg sie, stieg wenig später zu Arvin in den Wagen und ertrug die Fahrt in stiller Verzweiflung.
    Im Haus angekommen, wartete immerhin Spike auf sie. Arvin begrüßte ihn heute allerdings nur kurz und zog sich dann umgehend ins Wohnzimmer zurück. Um nicht völlig verrückt zu werden, machte Livia mit Spike erst einmal einen längeren Spaziergang. Dann besuchte sie Gunda. Die erwartete allerdings Besuch und hatte nicht viel Zeit für sie. Livia blieb also nichts anderes übrig, als nach Hause zurückzukehren. Sie aß ein paar Krümel zu Abend und zog sich in ihr Zimmer zurück.
    Frieden fand sie allerdings auch dort

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