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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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warst …“
    Livia musste schlucken und senkte den Blick.
    „Ich vermisse sie doch auch“, flüsterte Arvin und bewegte seinen Daumen sanft auf Livias Wange hin und her.
    Ein Zittern durchfuhr Livia. Arvins Berührung löste viel mehr in ihr aus, als sie in so kurzer Zeit begreifen oder verarbeiten konnte …
    „Das find ich jetzt aber bescheuert!“, zeterte Vanessa drauflos. Sie hatte sich mit verschränkten Armen direkt vor Arvin aufgebaut und funkelte ihn wütend an. „Erst sagst du, dass wir es furchtbar eilig haben, und dann stehst du einfach nur so da.“
    Arvin ließ seine Hand wieder sinken, behielt das sanfte Lächeln aber bei und wandte sich seiner Nichte zu. „Da hast du mich kalt erwischt“, sagte er mit gespielter Unterwürfigkeit. „Kannst du mir noch mal verzeihen?“
    „Nur, wenn ich jetzt endlich was zu essen kriege“, verhandelte Vanessa.
    „Hast du dir denn schon die Hände gewaschen?“, erkundigte sich Livia.
    Vanessas Blick verfinsterte sich. „Hände waschen, Hände waschen, Hände waschen“, maulte sie. „Ich hab kaum noch Haut an den Händen …“
    Arvin lachte auf und auch Livia musste schmunzeln. Aber was in ihrem Herzen war, ging noch weit darüber hinaus. Da war ein Gefühl tiefer Dankbarkeit. In diesem Moment war alles so, wie es sein sollte. Arvin, Livia und Vanessa. Eine ganz normale Familie.
    ❧
    In den darauffolgenden Tagen kehrte ein Stück Alltag in den Haushalt der Familie Scholl zurück. Arvin ging wieder zur Arbeit und Vanessa zur Schule. Livia war aufgrund ihrer Verletzung noch nicht in der Lage, wieder arbeiten zu gehen. Sie war voll und ganz mit Vanessa und dem Haushalt beschäftigt. Glücklicherweise schaute Gunda recht häufig vorbei und unterstützte sie bei allen Tätigkeiten, die mit nur einem Arm nicht möglich waren. Und auch Arvin tat alles, was in seiner Macht stand, um Livia zu helfen. Er war immer pünktlich zu Hause und bestand darauf, ihr Teile des Haushalts abzunehmen. Mit der Zeit wurde vor allem die Wäsche sein Arbeitsgebiet. Livia konnte sie weder aufhängen noch bügeln. Und auch das Falten ließ sich mit zwei Händen viel besser bewältigen.
    Livia empfand Arvins Hilfe als pure Wertschätzung und freute sich darüber. Allerdings spürte sie auch, dass seine Unterstützung mit gewissen Erwartungen verbunden war. Auf jeden Fall gab er den Abstand, den er früher so penibel eingehalten hatte, von Tag zu Tag mehr auf. Das äußerte sich nicht nur darin, dass er ihr von seiner Arbeit und seinen Erlebnissen erzählte, sondern auch darin, dass er ihre Nähe suchte und sie immer häufiger auch körperlich berührte.
    Wann immer das geschah, löste es sehr unterschiedliche Reaktionen bei Livia aus. Einerseits genoss sie es. Es war, was sie sich immer gewünscht hatte. Andererseits … war da ein leises, aber doch spürbares Gefühl der Abwehr. War es Misstrauen? Sie wusste es selbst nicht. Oft trat sie einfach einen Schritt zurück … oder begann irgendeine Arbeit …
    Wann immer das geschah, spürte sie, dass Arvin sehr sensibel, vielleicht sogar ein wenig verstört darauf reagierte. Trotzdem konnte sie diese Reaktionen nicht abstellen. Sie passierten einfach! Eines Abends – Livia kam gerade aus ihrem Zimmer, in dem seit Karens Tod auch Vanessa übernachtete – fragte Arvin: „Ist es eigentlich nötig, dass du weiterhin in diesem Zimmer schläfst?“
    Livia ließ die Türklinke los und wandte sich erstaunt zu Arvin um. „Was …“ Sie musste sich räuspern. „Was meinst du damit?“
    Arvin lehnte lässig an der Wand des Flures und antwortete betont beiläufig: „Ich mein ja nur … Vanessa macht einen guten Eindruck in letzter Zeit. Sie hätte bestimmt kein Problem damit, ein Zimmer für sich allein zu haben.“
    „Ja und … und ich ?“ Das Wort war noch nicht verhallt, da beschlich Livia bereits das ungute Gefühl, dass sie diesen Satz lieber nicht hätte sagen sollen. Und dass sie die Antwort gar nicht hören wollte!
    „Du könntest bei mir schlafen“, sagte Arvin denn auch.
    Livia starrte ihn an. „Aber Vanessa … Sie … sie ist es nicht gewohnt, allein zu übernachten.“ Ein Hauch von Panik schwang in ihrer Stimme mit. „Und sie hat Karens Tod noch lange … noch lange nicht –“
    Verwunden , hatte sie sagen wollen. Aber das Wort erstarb in einem Blick, der so tief war, dass Arvin damit direkt zum Kern der Sache vorzudringen schien. „Was mache ich dieses Mal falsch?“, fragte er als Nächstes. Es klang verletzt.
    Livia

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