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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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ein Schnellzug fährt durch.“
    Livia zog irritiert die Stirn in Falten. Gab es hier einen Bahnhof in der Nähe? „Was war denn das?“, fragte sie verwundert. Aber erst als sie einen Blick in Ennos Gesicht warf, stutzte sie wirklich. Das maßlose Entsetzen, das sie darin las, das Verschwinden sämtlicher Farbe, ließ sie erahnen, dass gerade etwas wirklich Bedeutungsvolles geschehen war. Und sie hatte ja auch selbst den Eindruck, diese Worte schon mal irgendwo gehört zu haben … „Oh, mein Gott“, brach es aus ihr hervor. Der Kassettenrekorder … die Nacht … in der sie Spike geholt hatte … der Anschlag auf ihr Leben! Sie ging rückwärts, bis sie hinten gegen die geöffnete Tür stieß. „Du“, stammelte sie, „du … du warst es!“
    Ennos Blick wurde mit einem Mal kalt und entschlossen. „Frauen …“, fauchte er zutiefst verärgert. „Ihr seid so neugierig, dass ihr euch euer eigenes Grab schaufelt.“
    „ Du hast den Stein geworfen“, brach es aus Livia hervor. „Du warst gar nicht am Bahnhof! Mehr noch, du hast …“ Als sie begriff, mehr und mehr begriff, ging ihr auf einmal regelrecht die Luft aus. Sie keuchte auf und vollendete ihren Satz mit dem letzten bisschen Puste, das ihr noch verblieben war: „… mich angerufen, damit ich mir mein eigenes Grab schaufel! Damit du vorbereitet bist! Damit du weißt, wann wir vorbeifahren. Wann du den Stein werfen musst!“ Tränen der Wut und Enttäuschung traten in ihre Augen. „Und dann“, fuhr sie fort, „als wir noch am Leben waren …“ Sie drehte sich um und marschierte in den Abstellraum zurück. Dann griff sie nach dem Hocker, riss ihn aus dem Haufen von Gerümpel, ließ dabei alles Mögliche zu Boden poltern und keuchte: „Wetten, es gibt ein Gewehr in diesem Abstellraum?!“ Sie platzierte den Hocker an der nächstbesten Regalwand, erklomm ihn und begann in dem Durcheinander nach dem Gewehr zu suchen. „ Wetten? “
    „ Wetten nicht? “ Es war so viel Selbstbewusstsein und Entschlossenheit in seinen Worten, dass Livia innehielt und sich zu Enno herumdrehte.
    Dadurch wurde sie mit einem Paar eiskalter, tiefdunkler Augen und … einem Gewehrlauf konfrontiert. Sie hörte auf zu atmen.
    „Gewehre gehören nicht in den Abstellraum“, verkündete Enno. „Man sollte sie immer griffbereit haben.“
    Livia schluckte.
    „Komm raus da!“, befahl Enno.
    „Was … was hast du vor?“, flüsterte Livia. Seltsamerweise erkannte sie erst jetzt den Ernst der Lage.
    „Ich sagte: Komm raus da“, wiederholte Enno. Sein Tonfall machte deutlich, dass er keinen Widerspruch duldete.
    Livias Wut war inzwischen nackter, kalter Angst gewichen. Sie stieg brav vom Hocker.
    „Jetzt drehst du dich um und nimmst die Hände auf den Rücken.“
    Livia schlug das Herz bis zum Hals, doch konnte sie den Gedanken nicht ertragen, Enno den Rücken zuzukehren. Es war bestimmt hundertmal leichter, jemanden zu erschießen, den man nicht ansehen musste. „Warum?“, fragte sie, um Zeit zu gewinnen. „Ich meine … was hab ich dir getan?“ Erst als sie den Satz formuliert hatte, wurde ihr klar, wie sehr sie diese Antwort brauchte. „Hab ich etwas getan, woran ich mich nicht erinnern kann?“
    Enno lachte auf, konnte sich kaum wieder beruhigen und kicherte eine ganze Weile vor sich hin.
    „Was ist daran witzig?“, fauchte Livia ihn an.
    „Livia“, begann Enno schließlich, „die alte Livia … war eine wunderschöne Frau.“ Er hörte auf zu lachen und wurde ernst. „Mehr noch als das. Sie war alles, was sich ein Mann nur wünschen konnte.“ Sein Blick wanderte in die Ferne. „Alles, was ich mir wünschen konnte.“
    „Ich weiß, dass wir ein Verhältnis miteinander hatten“, sagte Livia leise. „Aber ich weiß nicht, was dann passiert ist. Hab ich mit dir Schluss gemacht oder so was?“
    Aber ihre Worte schienen Enno gar nicht zu erreichen. Er starrte nur weiter durch sie hindurch. „Es war ihre Idee. Ihre ganz allein. Sie konnte einfach den Hals nicht vollkriegen …“
    „Was war ihre … meine Idee?“
    „Alles“, antwortete Enno bitter. „Das ganze Programm. Die Unterschlagungen, die manipulierte Buchführung, das Schweizer Nummernkonto …“
    Livia zog irritiert die Stirn in Falten. Sie hatte mit einer Lovestory gerechnet, aber nicht mit Habgier. „Du hast Gelder unterschlagen?“, begann sie allmählich zu begreifen. „ Firmen gelder?“
    Enno schürzte die Lippen. „Im großen Stil“, gab er zu. „Warum sonst sollte die Firma so

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