Als gaebe es kein Gestern
–, kam sie sich noch dreckiger vor.
„Ja … natürlich!“, stammelte Enno und gab umgehend den Weg frei. „Soll ich Verbandmaterial holen?“
„Das wäre toll“, stöhnte Livia und humpelte zunächst in den Flur hinein.
„Am besten, du gehst ins Wohnzimmer“, schlug Enno vor und öffnete schon mal die entsprechende Tür. Dann verschwand er eilig im Badezimmer.
Livia humpelte weiter bis zur Couch und ließ sich mit einem tiefen Seufzer auf die Sitzfläche fallen. Dann warf sie selbst einen Blick auf ihre Füße. Sie waren zerkratzt, blutig und mit schwarzem Dreck verschmiert. Und sie fühlten sich noch immer so an, als gehörten sie jemand anderem …
Enno kam schon bald darauf ins Wohnzimmer zurück. Er hatte eine kleine Plastikwanne dabei, die mit Wasser gefüllt war und aus der es sichtbar dampfte. Diese Wanne stellte er wortlos vor Livias Füßen ab. Er kniete sich daneben und begann vorsichtig, ihre Hosenbeine nach oben zu krempeln. Als er damit fertig war, sah er sie fragend an. „Wärst du mit einem kleinen Fußbad einverstanden?“
Sie nickte verlegen, hob den rechten Fuß und tauchte ihn mit Ennos Hilfe langsam in das warme Wasser ein. Die Empfindungen, die dabei durch ihren Körper flossen, waren so ziemlich das Intensivste, was sie jemals erlebt hatte. Im ersten Moment schoss einfach nur ein stechender Schmerz in ihren Fuß, dann kam es ihr so vor, als würden überall an ihrem Fuß tausend Nadeln in ihre Haut gestochen werden. Dieses Prickeln verlagerte sich von außen nach innen und wurde dabei immer schmerzhafter. Livia hatte Mühe, nicht laut aufzustöhnen, und verzerrte das Gesicht.
„Tut’s weh?“, fragte Enno besorgt.
Livia nickte nur, hob aber dennoch tapfer ihren zweiten Fuß. Als auch dieser ins Wasser eintauchte, kullerten bereits die ersten Tränen über ihre Wangen.
„Ich hol dir ’n Taschentuch“, sagte Enno.
„Bring mir … was zu trinken mit“, bat Livia durch zusammengepresste Zähne hindurch.
„Wird gemacht.“ Enno eilte von dannen und kehrte wenig später mit einem Glas Wasser und einen Packen an Taschentüchern zurück.
„Das ist wirklich nett“, seufzte Livia, nahm ihm das Wasser ab und stürzte es mit großen, gierigen Schlucken hinunter.
Derweil hatte sich Enno schon wieder neben ihren Füßen niedergelassen. Er tauchte jetzt einen Waschlappen ins Wasser ein und strich damit sanft über Livias Spann.
Livia schloss für einen Moment genießerisch die Augen, stellte aber fest, dass sie das zurück in Arvins Wohnzimmer versetzte, zu einem nackten, warmen Oberkörper … Sie zuckte zusammen und riss die Augen wieder auf.
„Hab ich dir wehgetan?“, fragte Enno erschrocken und sah zu ihr auf.
Livia schüttelte stumm den Kopf und bemühte sich, ihre Gefühle zu ordnen. Da war immer noch diese Sehnsucht … Sie versuchte sich an Arvins Narbe zu erinnern, merkte aber, dass sich dadurch nicht viel änderte. Wahrscheinlich hatte sie ihre Gefühle für Arvin viel zu lange genährt und gepflegt, als dass sie von jetzt auf gleich wieder hätten verschwinden können. Außerdem hatte sie nicht gesehen, was Arvin ihr angetan hatte. Es zu wissen war nicht das Gleiche wie es zu sehen!
„Habt ihr euch mal wieder gestritten?“, fragte Enno und ging dazu über, beide Füße insgesamt zu waschen. Dabei beschränkte er sich nicht nur auf den Spann, sondern wusch auch die Fußsohlen.
„Arvin ist es gewesen“, sagte Livia aus heiterem Himmel. „Er steckt hinter den Anschlägen.“
Enno hielt mitten in der Bewegung inne und hob den Kopf. Aus großen, verwunderten Augen starrte er Livia an. „Bitte?“
„Er ist schizophren oder so was“, stieß sie hervor und schnaubte lautstark in ein Taschentuch. „Vielleicht weiß er gar nicht, was er tut!“
„Wie … wie kommst du denn darauf, dass er es war?“, staunte Enno.
Daraufhin erzählte ihm Livia stockend, aber in allen Details, was damals im Krankenhaus geschehen war, dass Karen ihr die blutverschmierte Schere vermacht hatte und dass sie diese der Polizei übergeben hatte. „Der Abgleich mit dem Zentralregister hat zu nichts geführt. Deshalb …“ Sie zögerte und schlug beschämt die Augen nieder. „Ich hab Herrn Walther ein Haar von Arvin besorgt.“
„Und der Vergleich hat eine Übereinstimmung ergeben?“ Enno schien völlig fassungslos.
„Na ja … das Ergebnis lässt noch auf sich warten, aber die Blutgruppe stimmt überein. Und es ist eine seltene Blutgruppe, B+. Ich hab natürlich trotzdem
Weitere Kostenlose Bücher