Als gaebe es kein Gestern
sie förmlich. Alles war so unglaublich bunt.
Nachdem Karen eine Zeit lang abgewartet hatte, seufzte sie frustriert. „Komm mit, ich bringe dich in den richtigen Gang.“ Sie zog Livia am Gemüse und an den Säften vorbei in Richtung Brot und Kuchen. Vor den entsprechenden Regalen blieb sie stehen. „Auf geht’s!“
Livia starrte verwirrt auf die Produktvielfalt. Schließlich trat sie einen Schritt vor und griff nach einer Aluschale mit Butterkuchen.
„Nein!“, protestierte Karen. „Kein Kuchen zum Frühstück, okay? Wir kaufen Schwarzbrot.“ Sie beförderte eine 500-Gramm-Packung in ihren Einkaufswagen. „Weiter geht’s. Was möchtest du als Brotaufstrich haben?“
„Nutella“, antwortete Livia.
Karen rollte mit den Augen. Das war ja schlimmer als bei Vanessa. „Du kriegst Marmelade“, entschied sie und schob Livia an allerhand anderen Leuten vorbei in die entsprechende Abteilung. Vor den Marmeladen blieb sie stehen. „Welche willst du?“
Livia griff nach dem erstbesten Glas, das sie zu fassen bekam.
Aber Karen nahm ihr auch das wieder weg. „Du magst keine Erdbeermarmelade“, sagte sie sanft. „Du magst viel lieber Maracuja oder sonst was Exotisches. Weißt du das denn nicht?“
Livia schien sie nicht zu hören. Ihr Blick klebte an den Menschen, die durch den Laden wuselten. Sie war völlig abgelenkt.
Karen schüttelte ungläubig den Kopf. In ihrer gewohnten Umgebung benahm sich Livia wie eine ganz normale Frau. Auf jeden Fall konnte sie klare Gedanken fassen und intelligente Sätze formulieren. Aber an unbekannten Orten brach das alles wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Dann wirkte Livia wieder wie ein Kind, das an der Hand seiner Mutter sämtliche Tätigkeiten erlernen muss.
„Wir gehen“, entschied sie. Dann räumte sie das Brot wieder an seinen Platz zurück und verließ mit Livia den Supermarkt. Es hatte einfach keinen Zweck.
Draußen angekommen, atmete Livia sichtbar auf. Obwohl es ein bisschen schneite, schien ihr die Umgebung viel besser zu bekommen. Als Karen den leeren Einkaufswagen in die entsprechende Vorrichtung zurückschob, fragte sie irritiert: „Wo ist das Brot?“
„Ich fürchte, du bist noch nicht reif fürs Einkaufen“, sagte Karen und zog den Reißverschluss ihrer Jacke ganz bis unter ihr Kinn.
Livias Blick erhellte sich. „Dann muss ich wohl bei dir wohnen …“
Sehr zu ihrem Leidwesen schüttelte Karen den Kopf. „Ich werde für dich einkaufen und ich werde auch für dich putzen, wenn es sein muss. Aber wohnen wirst du bei Arvin.“
„Du hast überhaupt keine Zeit, für mich zu putzen. Du musst doch arbeiten … und für Vanessa da sein. Es wäre viel einfacher, wenn ich das Putzen und Waschen und Bügeln und Einkaufen übernehmen würde. Ich möchte mich doch so gerne nützlich machen. Glaub mir, ich kann das alles lernen. Ich werde es lernen, wenn ich nur bei dir wohnen darf! Bitte! “ Sie faltete die Hände und setzte ihren flehendsten Hundeblick auf.
Da war es wieder. Hier draußen an der frischen Luft argumentierte sie wie eine Gesunde! Karen steuerte mit Livia auf die Straße zu. Da der Schnee nicht liegen blieb, konnten sie sich frei bewegen. „Arvin braucht auch jemanden, der für ihn sorgt“, behauptete sie. „Er hat schon viel zu lange ganz allein gelebt.“
„Wirklich?“, fragte Livia, zum ersten Mal ehrlich interessiert. „Meinst du, es würde ihm guttun, wenn ich mich um ihn kümmere?“
„Ganz bestimmt! Wenn du zum Beispiel für ihn kochst, würde er sich endlich mal gesund ernähren!“
„Meinst du denn … er würde essen, was ich ihm koche?“
Karen antwortete nicht gleich. Anscheinend musste sie über diese Frage erst einmal nachdenken.
„Also nicht“, schlussfolgerte Livia.
Inzwischen waren sie an der Bushaltestelle angekommen. Karen hatte kein eigenes Auto und fuhr immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Aus irgendeinem Grund hasste sie Autos. „Ein bisschen sträuben würde er sich schon …“, gab Karen zu. Sie seufzte. „Du musst ihm einfach viel Zeit geben, Livia. Der Unfall und das alles … das hat ihn sehr mitgenommen. Er weiß einfach nicht, wie er dir begegnen soll.“
„Und deshalb ignoriert er auch die Briefe, ja?“, brach es aus Livia hervor.
Karen sah überrascht zu ihr auf. „Briefe?“
Livia drehte sich weg und tat so, als würde sie den Busfahrplan studieren.
Karen sah ihr über die Schulter. „Das ist die falsche Linie“, sagte sie sanft.
Daraufhin ging ein Ruck durch Livia. Sie
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