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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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Brust und eine Bluejeans. Auffallend war sein Bart – wenn man ihn denn als einen solchen bezeichnen konnte. Er bestand aus einem dünnen, aber dunklen Strich, der sich auf Höhe des unteren Kieferknochens von einem Ohr zum anderen zog. Ähnlich spartanisch waren seine Haare. Sie waren so kurz, dass sie kaum mehr als einen dunklen Schatten auf seiner Kopfhaut bewirkten. Aber das schadete seiner Erscheinung nicht. Die maskulinen Züge, die sonnengebräunte Haut und die kräftigen Muskeln, die unter seinem Poloshirt zum Vorschein kamen, ergaben ein durchaus harmonisches Gesamtbild.
    „Sie haben sich bestimmt in der Tür geirrt“, vermutete Livia und klang dabei ein ganz kleines bisschen enttäuscht.
    Der Mann musterte Livia von oben bis unten und blieb schließlich an ihren Augen hängen. Fast kam es Livia so vor, als suchte er dort nach irgendetwas … „Kennen wir uns?“, fragte sie verunsichert.
    „Das mit der Amnesie scheint zu stimmen“, sagte der Fremde. Seine Stimme klang sympathisch.
    Livia sah ihn hilflos an. „Ich hatte einen schweren Autounfall. Ich kann mich wirklich nicht erinnern.“
    Jetzt entspannte sich der Mann ein wenig. „Aber das macht doch nichts. Ich bin Enno.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen und lächelte gewinnend.
    „Enno Krantz?“ In Sekundenbruchteilen ratterte alles durch Livias Kopf, was sie über Enno Krantz wusste, allem voran die Tatsache, dass Arvins Firma „Scholl & Krantz“ hieß und dass Enno sein Kompagnon war. Soweit Livia wusste, kümmerte sich Arvin um die Software, also das Produkt, während Enno die Aufträge hereinholte.
    Enno nickte jetzt und ließ seine Hand ganz langsam wieder sinken.
    „Oh, Entschuldigung“, beeilte sich Livia zu sagen und streckte ihm nun ihrerseits die Hand entgegen. „Ich benehme mich furchtbar, ich weiß. Es ist nur … na ja … ich bekomme nicht sehr oft Besuch.“
    Seine Hand fühlte sich warm an, sein Händedruck war kräftig. „Das heißt dann wohl, dass wir hier an der Tür stehen bleiben werden“, sagte er und schmunzelte.
    Livia hing einen Moment an seinem Lächeln fest und begriff nur langsam, was seine Worte bedeuteten. „Was? Nein! Ich meine … tut mir leid … kommen Sie doch rein!“
    „Gern“, lächelte Enno, entzog Livia seine Hand und spazierte an ihr vorbei in die Diele. „Küche oder Wohnzimmer?“, fragte er.
    „Ich … keine Ahnung“, stammelte Livia. „Egal …“
    Aber ihr Gast steuerte ohnehin schon auf das Wohnzimmer zu. Er schien sich bestens hier im Haus auszukennen. Livia dackelte hinter ihm her. Als sie am Spiegel vorbeikam, fiel ihr auf, dass sie nicht besonders gut gekleidet war. In der Annahme, dass Arvin ihr Beet erneut dem Erdboden gleichgemacht hatte, war sie schon mal in ihre Gartenklamotten geschlüpft. Ihr dunkelblaues Schlabbersweatshirt war nicht nur dreckig, sondern auch schon ein bisschen löchrig. Und das heute!
    Als Enno das Wohnzimmer erreichte, sah er sich erst einmal gründlich um. Dabei glitt sein Blick auch an der grünen Vase vorbei. Dass sie geklebt war, schien ihm allerdings nicht aufzufallen. „Alles beim Alten“, murmelte er. „Sieht nicht so aus, als hättest du hier alles auf den Kopf gestellt!“
    Livia runzelte die Stirn. Dieser Enno war sympathisch, trotzdem fühlte es sich seltsam an, wenn er sie duzte. Dabei war es gar nicht die vertrauliche Anrede an sich. Eher war es die Tatsache, dass dieser Enno ihr etwas voraushatte, dass er auf Erinnerungen zurückgreifen konnte, zu denen sie keinen Zugang hatte.
    „Sind … äh … waren wir … befreundet? Früher, meine ich?“, stammelte sie ein wenig hilflos.
    Enno drehte sich zu Livia um. „Ja … doch … könnte man so sagen. Ist dir das unangenehm?“
    Erstaunlicherweise hatte er grüne Augen, leuchtend grüne Augen. Und das, obwohl seine Haare am Kopf und am Bart beinahe schwarz wirkten. „Ich … weiß nicht …“, stotterte Livia. „Ein bisschen vielleicht.“
    Enno seufzte tief. „Weißt du was? Du setzt dich jetzt erst mal hübsch hierher …“ Er umrundete Livia und legte seine Hände von hinten auf ihre Schultern.
    Die plötzliche Berührung jagte einen Schauer durch Livias Körper, der ihr bis in die Zehenspitzen zog. Ohne es zu wollen, versteifte sie sich.
    Wenn Enno dies bemerkte, ließ er es sich nicht anmerken. Er schob Livia in Richtung Sofa und drückte sie sanft, aber bestimmt auf einen der Plätze. „Du entspannst dich jetzt mal. Und ich koch uns einen Kaffee. Nur mit Milch – so wie

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