Als gaebe es kein Gestern
geheiratet, oder?“
„Aber warum hat er mich geheiratet?“, brach es aus Livia hervor. „Da muss es doch einen Grund gegeben haben!“
Enno blickte auf. „Im Grunde … wart ihr niemals glücklich“, sagte er leise.
„Niemals?“, wiederholte Livia geschockt. „Nicht mal zu Anfang?“
Enno zuckte die Achseln. „Vielleicht ganz zu Anfang … ich weiß es nicht.“
„Aber du bist sein Freund!“, brach es aus Livia hervor. „Er muss dir doch mal von uns erzählt haben … davon, wie wir uns kennengelernt haben … was ihm an mir gefallen hat!“
Enno strich sich verlegen über seinen dünnen Bart. „Arvin ist nicht wie andere Menschen, Livia. Er ist … furchtbar verschlossen. Das war er immer!“
„Wo hab ich ihn kennengelernt?“, bohrte Livia weiter.
„Wo? Na, hier!“
„Wo hier ?“
„Hier im Haus“, entgegnete Enno, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt. „Besser gesagt: an der Haustür. Ich glaube, du wolltest ihm irgendetwas verkaufen …“
Livia glaubte nicht richtig zu hören. „An der Haustür?“, fragte sie fassungslos und dachte an die beiden etwas fragwürdigen Gestalten, die vor Kurzem bei ihr geklingelt hatten, weil sie Postkarten von Behinderten verkaufen wollten – und verkauft hatten. Karen hatte ihr einen ziemlich langen Vortrag gehalten, als sie es erfahren hatte …
„Ich dachte, ich sei Floristin von Beruf!“
Enno zuckte die Achseln. „Das hast du zumindest behauptet …“
Livias Blick spiegelte immer mehr Entsetzen wider. „Das klingt, als wäre ich … na ja … ziemlich dubios gewesen …“
Enno fummelte an seinem rechten Ohrläppchen herum. „Ich glaub, Karen hat das auch gedacht. Jedenfalls hat sie mit Engelszungen auf Arvin eingeredet. Sie wollte wohl, dass er die Finger von dir lässt.“
„Was nichts genützt hat“, murmelte Livia. Und dann warf sie Enno einen fast flehenden Blick zu. „Das ist doch ein gutes Zeichen, oder etwa nicht?“
Enno antwortete nicht darauf.
„Was ist?“, fuhr Livia ihn an. „Hast du auch gedacht, ich sei die Falsche für ihn?“
Enno seufzte tief. „Ihr wart nun mal nicht richtig füreinander. Das hat sich schon nach wenigen Monaten herausgestellt. Aber das muss nicht an dir gelegen haben. Zumindest nicht nur. Arvin ist ein … ein eher ungewöhnlicher Mensch. Es ist kein Wunder, dass er dir an der Haustür begegnet ist. Solange ich ihn kenne, wechselt er zwischen Haus, Arbeit und Kirchengemeinde hin und her. Außer dem Joggen hat er überhaupt keine Hobbys. Findest du das normal?“
„Kirche und Sport, das sind immerhin zwei Hobbys“, widersprach Livia vorsichtig.
„Aber er hat überhaupt keine Freunde!“
„Er hat dich“, gab Livia zu bedenken.
„Nur mich!“
„Woran liegt das?“, fragte Livia schlicht.
Enno zuckte die Achseln. „Er war schon so, als ich ihn kennengelernt habe.“
„Wann war das?“
Enno lehnte sich auf seinem Platz zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dieses Gespräch hat Ähnlichkeit mit einem Verhör“, stellte er fest.
„Wie ich schon sagte: Du musst mir nicht antworten …“
Enno schüttelte ein wenig den Kopf und sagte dann: „Ich hab ihn an der Uni kennengelernt.“
„Dann hat er neben Haus und Kirchengemeinde auch die Uni besucht …“
„Aber nur die Uni. Keine Kneipe, kein Kino – gar nichts.“
„Hast du mit ihm studiert?“, fragte Livia.
„Nein. Arvin ist Informatiker. Ich hab Betriebswirtschaftslehre studiert.“
„Wie hast du ihn dann kennengelernt?“
„Er hat einen Aushang gemacht. Am Schwarzen Brett. ‚Suche BWL-Studenten zwecks Gründung einer eigenen Firma.‘ Kannst du dir so was vorstellen?“
„War er da schon fertig mit seinem Studium?“
Enno lachte auf. „Er hatte gerade angefangen.“
„Und du?“
„Ich war im sechsten Semester.“ Er grinste in sich hinein. „Trotzdem ist Arvin früher fertig geworden als ich. Und das mit den allerbesten Noten. Ich schätze, er ist so was wie ein Genie.“
Livia griff nach ihrer Tasse und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. Er war nicht mehr besonders heiß. „Und die Firma? Habt ihr die wirklich schon im Studium gegründet?“
Enno nickte. „Und sie war vom ersten Tag an ein Erfolg. Arvin schreibt Programme wie andere Briefe. Ich glaube, er denkt in diesen Programmiersprachen. Abgefahren …“
Livia zuckte mutlos die Achseln. Arvin war ein mathematisches Genie und sie selbst konnte nicht einmal richtig schreiben. Kein Wunder, dass sie keine
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