Als gaebe es kein Gestern
wenig mühsam. „Ich komm schon zurecht.“
Livia hob hilflos die Hände.
Karen schob sie Richtung Tür. „Jetzt geh schon. Vielleicht ist es nur der Paketbote.“
Livia seufzte tief und tapste verunsichert zur Tür. Die ganze Situation war ein bisschen viel für sie. Enno im Wohnzimmer, Karen in der Küche und ein Dritter an der Tür. Es hätte sie nicht gewundert, wenn jetzt auch noch Arvin nach Hause gekommen wäre. Stattdessen stand jedoch Gunda vor der Tür.
„Ich bin schwer beschäftigt“, sagte Livia und zuckte bedauernd die Achseln.
„Ich wollte auch nur mal nach dem Rechten sehen“, sagte Gunda. „Du warst vorhin so fatalistisch. Geht’s ’n bisschen besser?“
Livia widerstand dem Drang, den Kopf zu schütteln, und nickte tapfer. „Ich komm nachher mal auf einen Kaffee zu dir rüber, okay?“
„Okay.“
Livia machte Anstalten, die Haustür wieder zu schließen, als ein freundliches „Hallo“ sie davon abhielt. „Sie müssen Gunda sein“, sagte Karen und näherte sich vom Flur aus der Haustür.
„Genau. Und wer sind Sie?“
„Ich bin Karen, Livias Schwägerin“, antwortete Karen und schüttelte Gundas Hand. „Ich hab schon viel von Ihnen gehört. Deshalb ist es schön, Sie mal kennenzulernen.“
„Danke, gleichfalls“, lächelte Gunda. Im nächsten Moment erhellte sich ihr Blick noch mehr und sie wandte sich Livia zu. „Dann ist der gut aussehende junge Mann, der vorhin kam, wahrscheinlich dein Schwager, was?“
Livia gefror auf dem Platz, an dem sie stand, zu einer Eisskulptur.
„Welcher junge Mann?“, wunderte sich Karen. Aber als ihr Blick auf Livia fiel, erstarrte auch sie.
Sekundenlang herrschte tiefe, betretene Stille, dann sagte Gunda: „Ich … äh … muss … wieder rüber.“ Sie warf Livia noch einen zutiefst verunsicherten Blick zu, schlüpfte zur Tür hinaus und zog diese hinter sich zu.
Erneute Stille.
Und dann drehte sich Karen um und steuerte aufs Wohnzimmer zu.
Livia schloss die Augen. Sie konnte jetzt eh nichts mehr tun.
Sie hörte, wie die Wohnzimmertür aufgerissen wurde. „Was, bitte schön, ist das?“, rief Karen aus. Es folgte eine kurze Pause. „Und was tust du hier?“
Ein wenig ängstlich machte sich Livia auf den Weg ins Wohnzimmer.
„Das ist aber keine besonders freundliche Begrüßung“, hörte sie Enno antworten.
„Ihr habt versucht, mir deine Anwesenheit zu verheimlichen“, fauchte Karen. „Gibt es dafür einen Grund?“
„Seit wann bin ich dir Rechenschaft schuldig?“
„Seit du im Haus meines Bruders herumlungerst“, konterte Karen.
„Ich lungere nicht herum“, protestierte Enno. „Ich bin eingeladen worden … stimmt doch, Livia?“ Damit wandte er sich an Livia, die gerade zaghaft um die Ecke schaute und jetzt am liebsten im Erdboden versunken wäre.
Karen wirbelte zu ihr herum und sandte Blicke aus, die den stärksten Mann umgehauen hätten. „Seit wann geht das schon so?“, verlangte sie zu wissen.
Livia machte ein Gesicht, als hätte sie gerade um Haaresbreite einen Verkehrsunfall überlebt.
„Jetzt mach aber mal halblang“, knurrte Enno. „Du tust gerade so, als ob wir eine Affäre miteinander hätten. Dabei sind wir nur Freunde, nichts weiter.“
„Als ob du Freunde hättest“, schnaubte Karen.
„Bist wohl eifersüchtig“, sagte Enno und grinste plötzlich. „Aber natürlich – das ist es!“
Angesichts dieser Worte stürmte Karen auf Enno zu, packte ihn am Jackett und zerrte ihn mit sich fort in Richtung Tür. „Raus hier!“, keifte sie und wirkte dabei so wütend, dass Livia sie nicht wiedererkannte. Fassungslos und verängstigt zugleich, wich sie vor den beiden zurück.
Enno leistete bei alledem keinen besonderen Widerstand, sondern grinste nur überheblich und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Als er dann jedoch an Livia vorbeikam, warf er ihr einen bedauernden Blick zu und sagte im Vorbeiwanken: „Tut mir leid, Livia. Wir sehen uns morgen, ja?“
„Das kannst du dir abschminken!“, schnaubte Karen, ließ Enno los und schubste ihn von nun an in Richtung Haustür. „Livia wird dich nie wieder empfangen, verstehst du?“
„Das werden wir ja sehen“, entgegnete Enno und hüpfte leichtfüßig vorwärts, um dem nächsten Angriff zu entgehen. „Livia braucht dringend Freunde und hier im Haus hat sie ja keine.“
„Ich werd’s Arvin erzählen“, drohte Karen.
Enno blieb stehen und drehte sich zu Karen um. Dies geschah so plötzlich und so unvermittelt, dass auch Karen
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