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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
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einem Ton, der nahelegte, dass er sich unsicher war, was ein Bad eigentlich war.
    » Jawohl, ein Bad«, sagte Mrs Catt überdeutlich.
    » Gu-ut«, sagte mein Vater und spielte auf Zeit, aber nicht einmal er konnte dieses Wort auf die nötigen fünfunddreißig Minuten ausdehnen.
    » Wissen Sie, was noch besser ist als ein Bad?«, warf meine Mutter unbeirrt ein.
    » Eine Dusche?«, sagte Mr Catt.
    » Nein«, erwiderte meine Mutter, » ein Blick in den Garten«, und sie schleppte die erschöpften Reisenden ans Flussufer, wo sie nichts anderes zu sehen bekamen als ihr eigenes müdes und banales Spiegelbild. Und exakt in dem Moment, als der Kitt trocken war, nahm meine Mutter die Gäste bei der Hand und rief voller Enthusiasmus: » Badezeit!« Mr und Mrs Catt schauten meine Mutter entsetzt an, denn plötzlich fürchteten sie wohl, dass wir alle zusammen baden würden.
    Sie waren harmlose Leute, die keinerlei Bezug zu uns wünschten und nur einen ganz schlichten und möglichst ungestörten zu unserem Haus. Sie standen jeden Morgen früh auf, ganz gleich bei welchem Wetter, und wollten immer das gleiche Frühstück. Meiner Mutter gelang es nie, sie zu etwas anderem als Haferkleie und einem kleinen Glas Orangensaft zu verleiten, und mein Vater konnte sie nie dazu überreden, länger als bis neun Uhr abends wach zu bleiben. Er versuchte es mit Filmen und Kartenspielen und mit einer Weinprobe, aber nichts konnte sie aus ihrer trauten Zweisamkeit reißen. Das waren nicht die Gäste, die sich meine Eltern vorgestellt hatten. Sie hatten sich Gäste erhofft, die wie Freunde waren– eine ziemlich naive und unrealistische Erwartung, aber eine, an der sie über die Jahre festhalten würden in der ihnen eigenen, unzerstörbaren Begeisterung.
    » Warum redet Mr Catt immer so laut und langsam mit dir, Elly?«, fragte mich meine Mutter eines Morgens, als ich ihr beim Abwasch half.
    » Er denkt, ich sei taubstumm«, antwortete ich.
    » Was? Warum denn?«, fragte meine Mutter und zog mich an sich. Ich kuschelte mich an ihren weichen Bauch. » Die Menschen sind so verschieden und wundervoll, nicht wahr, Elly? Vergiss das nie. Schreib einen Menschen nie ab.«
    Ich wusste nicht wirklich, was sie meinte, aber ich versprach ihr, dass ich das nicht tun würde, und klammerte mich an ihren duftenden Kleidern fest wie eine hungrige Motte. Das hatte ich vermisst.
    An dem Tag, als es passierte, waren wir allein zu Hause. Meine Eltern waren nach Plymouth gefahren, um einen neuen Herd zu bestellen, und hatten meinen Bruder und mich mit der Aufgabe zurückgelassen, Windspiele aus Muscheln und Metallteilchen zu basteln, die wir am Strand gesammelt hatten. Über dem Himmel lag an diesem Morgen ein makelloser weißer Dunstschleier, der alle mit seiner Reglosigkeit zu hypnotisieren schien und sogar die Drosseln mitten im Lied verstummen ließ.
    Zuerst hörte ich das Quietschen der Bremsen, nicht aber das leise, dumpfe Geräusch des Zusammenstoßes. Er war einfach zu klein. Sein Kopf war verschont geblieben– von den Reifen–, und mein Bruder hatte seinen Körper sofort mit seinem Lieblingshemd zugedeckt, mit dem Jeans-Hemd, das ihm Nancy aus Amerika mitgebracht hatte. Er sah aus wie ein achtlos weggeworfenes Bündel am Straßenrand; die vergessenen Habseligkeiten der Verstorbenen.
    » Es tut mir leid«, sagte Mr Catt, als er aus dem Auto stieg. » Ich habe es nicht gesehen.«
    Es sagte er, nicht ihn. Es sagte er.
    Mein Bruder wickelte Gott in sein Hemd ein und hielt ihn wie ein Baby im Arm. Er trug ihn zu mir, während ich am Tor wartete. Er war noch warm: Aber das, was eigentlich sein fester, rundlicher Körper hätte sein sollen, war nun etwas Wässriges, etwas Wesenloses, und als ich ihn hielt, spürte ich auch seine Wärme aus dem Hemd mein Bein hinunterlaufen, bis ich schließlich nach unten schaute und sah, dass meine Füße voller Blut waren.
    » Was kann ich tun?«, fragte Mr Catt.
    » Sie haben schon genug getan«, sagte mein Bruder. » Zahlen Sie, und fahren Sie einfach.«
    » Fahren?«, meinte Mr Catt. » Glaubst du nicht, ich sollte vorher mit deinen Eltern reden?«
    » Nein, das glaube ich nicht«, erwiderte mein Bruder und griff nach der Axt meines Vaters. » Haut einfach ab, verdammt! Ihr Mörder! Wir wollten euch sowieso nicht hier haben, also los, verschwindet schon. Verschwindet!«, und er stürzte sich auf das Auto.
    Ich sah, wie der sandfarbene Marina über den Kiesweg davonschlingerte, dass es nur so spritzte. Die Schaltung plagte

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