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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
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sich irgendwo zwischen dem ersten und dem vierten Gang, bis der Wagen um die Kurve verschwand und uns unserem unfassbaren Verlust überließ. Mein Bruder ließ die Axt fallen. Seine Hände zitterten.
    » Ich kann es nicht ertragen, wenn dir jemand wehtut«, murmelte er und ging zum Schuppen, um eine Kiste zu suchen.
    Sie hob schon beim zweiten Klingeln ab, als hätte sie gewusst, dass ich anrufe, als hätte sie wartend neben dem Telefon gestanden. Noch bevor ich mich melden konnte, sagte sie: » Gott ist tot, oder?« Ich fragte sie nicht, woher sie es wusste – manche Dinge wollte ich lieber gar nicht wissen –, also sagte ich nur, » Ja, ist er« und erzählte ihr, wie es passiert war.
    » Es ist das Ende eines Kapitels, Elly«, war alles, was sie darauf sagen konnte, und sie hatte recht. Sein Leben bedeutete mir mehr als alles andere. Und nun war sein Tod an diese Stelle getreten, denn er hinterließ ein schmerzhaftes Loch, das sich unmöglich wieder füllen ließ. Jenny Penny hatte wie immer recht.
    » Er ist zu dir zurückgekommen«, sagte mein Bruder, als ich in der Dunkelheit auf meinem Bett lag. Da sei ein Puls gewesen, ein schwacher, wundersamer Puls, sagte mein Bruder, einer, der nicht zu spüren gewesen sei, bevor er mir das Kaninchen in die Arme gelegt habe. Und als er es tat, öffnete Gott noch einmal seine Augen und strich mir mit seiner Pfote über die Wange.
    » Er kam zurück, um sich zu verabschieden.«
    Dann hätte er dableiben sollen, war alles, was ich denken konnte.
    » Möchtest du vielleicht, dass Gott auf einem speziellen Haustier-Friedhof begraben wird?«, fragte mich meine Mutter am nächsten Tag sanft.
    » Warum?«, fragte ich.
    » Dann wäre er mit anderen Tieren zusammen«, meinte sie.
    » Er mochte doch gar keine anderen Tiere«, erwiderte ich. » Ich will, dass er verbrannt wird. Ich will seine Asche.«
    Und obwohl das in den späten Siebzigerjahren noch ein ungewöhnlicher Wunsch war, klapperte meine Mutter alle Praxen von Tierärzten in der Gegend ab, bis sie einen fand, der sich dazu bereiterklärte.
    Der Gedenkgottesdienst fand in kleinem, persönlichem Rahmen statt. Wir versammelten uns um seinen leeren Stall, und jeder sagte etwas Nettes. Nancy hatte ein Gedicht mit dem Titel » Wenn du denkst, alles ist aus« geschrieben, das wirklich gut geworden war. Besonders die letzten zwei Verse, die sie mit dramatischer Betonung vortrug, als befände sie sich auf einer Theaterbühne: » Und wenn du denkst, du kannst mich nicht mehr sehen, schließ die Augen, und ich werde vor dir stehen.« In solchen Dingen war Nancy einfach gut. Sie wusste immer das Richtige zu sagen bei Trauerfeiern oder anderen Ereignissen, die das Leben veränderten. Sie sorgte schon dafür, dass es den Leuten besser ging, nur indem sie da war. In den Achtzigern ging sie auf viele Trauerfeiern, und die meisten ihrer Freunde waren sich einig, dass es ohne sie keine richtige Trauerfeier gewesen wäre. Sie erinnerte sich an Dinge, die andere Leute vergaßen. Sie erinnerte sich daran, dass Andy Harman Nina Simone einmal bei Selfridges getroffen hatte und ihr vorgeschlagen hatte, ein Duett mit ihr im Heaven zu singen, wenn sie, die Ikone, sich nur in der Villiers Street einfinden könnte. Sie erinnerte sich auch, dass Bob Frasiers Lieblingssong » MacArthur Park« war und nicht » Love to Love You Baby«, wie die meisten Leute dachten. Und dass seine Lieblingsblume tatsächlich die Tulpe war– eine Blume, zu der sich kein schwuler Mann, der etwas auf sich hält, freiwillig bekennen würde. » Erinnerungen«, sagte sie zu mir, » ganz gleich wie klein und belanglos sie auch erscheinen mögen, sind die Seiten, die uns bestimmen.«
    Joe sagte irgendetwas über Gott, der mehr als nur ein Kaninchen gewesen sei und mehr als ein Gott, was mir gefiel, und Dad dankte Gott, dafür, dass er mich die ganzen Jahre so glücklich gemacht hatte, was meine Mutter so zum Weinen brachte, wie ich es noch nie bei ihr erlebt hatte. Später sagte mir mein Vater, dass sie noch immer nicht über den Verlust ihrer Eltern hinweggekommen sei.
    Mum füllte Gotts Asche in eine alte Pfefferminzdose aus Frankreich und verschloss sie fest mit einem roten Gummiband.
    » Wo wirst du sie verstreuen, Elly?«, fragte sie mich.
    » Ich weiß noch nicht«, antwortete ich. » An einem besonderen Ort.« Und bis meine Entscheidung fiel, stellte ich seine Asche auf meine Frisierkommode gleich neben meine Lieblingsbürste. Und nachts, wenn mein Zimmer im Schutz der

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