Als Gott ein Kaninchen war
Dunkelheit lag, sah ich Lichter durch die Luft tanzen und wusste, dass er es war.
» Hier«, sagte mein Bruder und übergab mir zum ersten Mal das Ruder. Der Fluss teilte sich direkt vor uns, und ich steuerte auf die linke Seite zu, wo der Wasserlauf sich eine Bahn durch dichtes Waldgebiet aus Buscheichen, Buchen und Ahornbäumen brach, und ich eine Schar Kanadagänse in ihre unverwechselbare Formation aufscheuchte.
Bald darauf wurde der Fluss schmaler und nahm seinen Weg zwischen Schilfrohren und überhängenden Bäumen hindurch, in denen noch das Seegras und das Treibgut der letzten Flut hingen. Es war die Strecke, der ich nicht traute, der Flussabschnitt, der den Bogen meiner Fantasie so straff spannte wie ein Seil am Kletterhaken, und wo ich dicke, knorrige Wurzeln durch das Schlickwatt kriechen sah wie hungrige Spinnentiere.
» Super«, sagte mein Bruder. » Gut machst du das. Bleib in der Mitte, halt das Boot im tiefen Wasser.« Und so machte ich es und hörte nur hin und wieder das Geräusch von Steinen, die am Rumpf des Bootes entlangschrammten.
Ich hielt die Hand schützend über die Augen; das Sonnenlicht war grell, brach sich auf der Wasseroberfläche und setzte Akzente auf der zerklüfteten Gischt. Es war einer der letzten Sommertage, und sowohl die Natur als auch mein Bruder reagierten darauf. Er legte sich auf die Querbank und zog sich die Anglerkappe tief ins Gesicht.
» Weck mich, wenn wir da sind«, sagte er träge, und mit dieser Geste spürte ich, dass die Verantwortung für unsere sichere Rückkehr nun in meinen unsicheren Händen lag.
Ich betrachtete ihn beim Dösen. In letzter Zeit wirkte er älter, so viel älter als ich. Er war in die Landschaft hier hineingewachsen, als hätte er schon immer hier gelebt und würde für immer hier bleiben. Aber schon nächstes Jahr würde er weggehen, um die Schule in London zu beenden, eine überraschende Entscheidung, die er aus einer Laune heraus getroffen hatte.
Ich schaute auf meine Armbanduhr; es war noch früh, man würde uns nicht vermissen. Wir hatten die Einkäufe fürs Abendessen erledigt, und die Gäste würden erst in ein paar Stunden wieder zurück sein. Ich stellte den Motor ab und ließ uns mit der Strömung treiben, duckte mich unter vorstehenden Ästen durch, die sich gefährlich weit übers Ufer hinaus neigten. Ich hörte das entfernte Schnattern von Enten an den mit Unkraut überwucherten Uferböschungen.
» Alles in Ordnung?«, erkundigte sich mein Bruder unter seiner Kappe.
» Ja«, sagte ich und nahm vorsichtshalber das kleine Ruder, um uns von den seichten Sandbänken abstoßen zu können, die plötzlich auftauchten wie Seehundrücken.
Über uns kostete ein Bussard den Aufwind aus. Ich beobachtete, wie er vor einem Hintergrund aus rosarotem und lilafarbenem Heidekraut schwebte, bis er schließlich im Sturzflug am Hang herabstieß und mit einer erschreckten Wühlmaus in den Klauen wieder auftauchte. Eine graue Meeräsche flankierte den Bootsrumpf auf der Suche nach Gesellschaft. Sie war groß– bestimmt vier oder fünf Pfund schwer–, ganz ähnlich der, die mein Bruder im ersten Herbst nach unserem Umzug hierher gefangen hatte.
Sie auszunehmen, machte ihm großen Spaß; er schlitzte sie unterhalb der Kiemen und dann den Bauch entlang auf, und kurz darauf trieben die Innereien flussabwärts, bevor sie schließlich von einem geduldigen Fischreiher verschlungen wurden. Dann drückte mir mein Bruder eine kleine, durchsichtige Kugel in die Hand.
» Das ist sein Auge«, sagte er. » Es kann noch sehen, sogar im Tod.«
» Halt die Klappe«, sagte ich und schnippte es ins Wasser.
Er grinste und sah so glücklich aus wie seit Wochen nicht mehr. Wir grillten den Fisch über einem improvisierten Feuer gleich neben dem Steg, und ich sagte, dass wir jetzt, wenn wir einmal Schiffbruch erleiden würden, auch allein klarkämen und niemanden brauchen würden. Aber auch das höchste Maß an Selbstständigkeit konnte nicht die Sehnsucht vertreiben, die er noch immer nach dem Menschen hatte, über den wir nie mehr sprachen. Dieser Mensch, der ihn auseinandergenommen und ein Teil hatte verschwinden lassen, das keiner von uns mehr wiederfinden konnte.
Später stakte ich das Boot unter den Ästen hindurch und sah plötzlich Damaszenerpflaumen in den Büschen vor mir. Bald würde ich mit meiner Mutter Marmelade machen. Ich mochte es, Marmelade einzukochen, die Schulbücher gegen aktive Betätigung einzutauschen.
» Joe«, sagte ich völlig
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