Als Gott ein Kaninchen war
Chili-Knoblauch-Ingwersoße, eines der wenigen Dinge, die ihr noch Zuversicht gaben, zusammen mit einem guten Glas gekühltem Soave. Obwohl ihre Verletzungen fast abgeklungen waren (es war sechs Wochen her), hatte sie noch immer dunkle Flecken um die Augen, die sie bemitleidenswert und harmlos erscheinen ließen, was recht nützlich war, berichtete sie. Er setzte sich, ohne ein Wort zu sagen. Sie tat ihm Reis auf den Teller und fragte, wie sein Tag gewesen sei. Er sagte, sie solle die Klappe halten. Sie aß ein Stück Krabbenbrot und reichte ihm ein Bier. Er schlug es ihr über den Kopf.
Sie stürzte zu Boden, riss ihr Schälchen, einen Teller, eine Blumenvase und ihre Stäbchen mit sich. (Sie benutzte nie Messer und Gabel, wenn sie chinesisch aß, denn sie wollte es so authentisch wie möglich genießen.) Das war auch der Grund, warum sie ein Stäbchen benutzte: Es war das Einzige, was sie zur Hand hatte, ein spitzes, schwarzes Metallstäbchen, das Teil eines Hochzeitsgeschenks gewesen war. Es war ein Reflex, schrieb sie; er hatte sich über sie gebeugt und sie bespuckt und dabei vergessen, ihre Arme festzuhalten. Sie dachte erst, es sei bloß seine Schulter. Erst später merkte sie, dass es sein Herz war, das sie fünfzehnmal durchbohrt hatte.
» Hier«, sagte ich zu meinem Vater und gab ihm den Brief. Er legte die Säge weg und setzte sich in einen alten Sessel, der voller Holzspäne und Staub war. Er tastete in seinen Taschen, die vollgestopft waren mit allem möglichen anderen, nach seiner Brille, bis ich auf seinen Kopf zeigte und er sie fand und sie sich auf die Nase schob. Das waren die einzigen Momente, die sein Alter verrieten; Risse in der Rüstung unseres ewigen Jungen. Ich sah ihm beim Lesen zu. Sein Gesicht war reglos, ruhig, als er die Anfangsfloskeln las. Er hat noch nicht umgeblättert, dachte ich bei mir.
Ich ging nach draußen, um den Geruch nach Sägemehl und Schmierfett loszuwerden, den Geruch seiner Werkstatt. Als Kind trieb ich mich oft hier herum, sah ihm dabei zu, wie er Dinge baute: den Schuppen, den Steg, Klettergerüste für die Kinder unserer Nachbarn, Schränke, Regale und natürlich unseren Esstisch. Ich dachte immer, wie gut es doch war, dass er keine richtige Arbeit hatte, denn er war schließlich viel zu beschäftigt damit, all diese Dinge zu machen. Er gab mir immer massive Würfel aus Holz, an denen ich so lange herumhobelte und schmirgelte, bis sie aussahen wie Kieselsteine, schön genug, um sie zu verschenken. Er lehrte mich viel über die Maserung von Holz und seine Beschaffenheit, dass Eichenholz von eher blassem Braun war, während Buche oftmals ins Rötliche ging. Dass Eiche eine grobe Struktur hatte und Ahorn eine feinere, und dass sich Eschenholz gut biegen ließ. Mein Leben war voller solcher Momente, Momente, die ich immer für so wunderbar selbstverständlich gehalten hatte. Aber Jenny Penny hatte ihren Vater nie kennengelernt. Sie war nie von einem Mann umgeben gewesen, der ihr etwas über Holz beibrachte oder das Angeln oder das Glück.
» Elly«, rief mein Vater.
Ich ging hinein und setzte mich auf die Armlehne seines Sessels. Wortlos gab er mir den Brief zurück. Ich hatte mehr erwartet: ein ungläubiges Seufzen, eine weise Bemerkung, irgendetwas; doch stattdessen schob er sich die Brille wieder auf die Stirn. Er rieb sich die Augen, als hätte er die Brutalität, die ihr Leben bestimmt hatte, gerade gesehen, statt nur davon zu lesen. Ich legte ihm den Arm um die Schulter, für den Fall, dass ihm Jean Hargreaves wieder in den Sinn gekommen war, der Geist, von dem wir alle gedacht hatten, er hätte ihn ruhen lassen, obwohl das wahrscheinlich nie der Fall war.
» Hat sie einen Besuchsantrag geschickt?«, fragte er.
» Ja, für nächsten Mittwoch«, sagte ich.
» Gehst du hin?«
» Natürlich.«
» Gut«, sagte er, stand auf und stützte sich auf seine Werkbank. Ein Nagel fiel zu Boden, und es klang wie ein winziger, entfernter Glockenschlag. Er beugte sich hinunter, um ihn aufzuheben– man wusste ja nie, wann man ihn wieder brauchen konnte.
» Sie wird vielleicht nicht…«, fing er an.
» Kannst du ihr helfen?«, unterbrach ich ihn. » Wenn wir die Akten und das ganze Zeug von ihrem Anwalt besorgen würden, wenn wir mehr wüssten. Kannst du ihr helfen?«
» Wir werden sehen«, sagte er.
Seine Stimme versprach nichts.
Ich wartete in der Schlange darauf, dass das Tor geöffnet wurde, umgeben von aufgeregt plappernden Familien, die gleich ihre Mutter,
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