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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
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untypisch war für diesen Mann, der in der Gegenwart von Gästen immer aufblühte, dass meine Mutter jede seiner Bewegungen überwachte, für den Fall, dass er wieder in diese unbekannten Tiefen stürzen sollte, in denen er zur leichten Beute für die Kräfte der unaufgearbeiteten Vergangenheit würde.
    Doch es war einfach nur Begeisterung, die ihn gepackt hatte, nichts Unheilvolleres. Dieselbe Begeisterung, die ihn uns als Kinder manchmal mitten in der Nacht hatte aufwecken lassen, damit wir seinen Lieblingsfilm anschauen konnten, für gewöhnlich ein Western, oder um schlaftrunkene Zeugen eines der legendären Kämpfe von Muhammad Ali zu werden. Seine Begeisterung war die Kerze, die unsere bedrückten Seelen entfachte und uns in diesem Sommer zu ihm zog; in diesem Sommer, als das Licht erlosch.
    Joe und Charlie kamen mit dem Nachtflug herüber, und ich traf sie an der Paddington Station, wo wir nur zehn Minuten hatten, um den Neun-Uhr-Zug nach Penzance zu erwischen.
    Wir dösten vor uns hin und tankten zwischendurch an einem vorbeirollenden Imbisswagen. Die Jungs machten ihr erstes Bier auf, als die Gleise auf die Küste trafen, und ich beobachtete sie– aufdringlich, kam es mir vor–, um Anzeichen einer aufblühenden Liebe zu entdecken, Anzeichen der Bereitschaft für eine gemeinsame Zukunft. Aber die Lähmung, die seit dem Moment ihres Wiedersehens eingesetzt hatte, hielt noch immer an, und sie teilten noch immer nichts– kein Zuhause, keine Träume und nicht das Bett–, nichts, außer die Dose lauwarmen Biers, die nun über den Tisch gereicht wurde. Meine Sehnsucht blieb ungestillt; mein sich einmischendes Herz wurde wieder enttäuscht.
    Alan erwartete uns in Liskeard wie immer. Aber als er auf uns zukam, mit zur Begrüßung ausgestreckten und nach unseren Taschen greifenden Händen, merkte ich, dass er anders war. Die robuste Heiterkeit war weg, seine Augen wirkten schwer und glanzlos. Und als ihn mein Bruder an seine Brust zog, wurde er weder rot noch machte er sich verlegen los wie sonst, sondern überließ sich der verlässlichen Wärme seiner Umarmung.
    » Alles klar, Jungs?«, fragte er, nahm ihnen die Taschen ab und verstaute sie im Kofferraum.
    » Ja«, antworteten sie. » Und selber?«
    Keine Antwort.
    Wir schlängelten uns durch die vertrauten, engen Straßen mit den dichten Hecken am Rand und den verstreuten gelben und blauen Farbtupfern und zaghaften Rosatönen. Und immer wieder mussten wir halten und öfter als üblich zurücksetzen, weil Feriengäste angesichts unseres entgegenkommenden Autos in Panik gerieten. Wir fuhren an dem Affengehege vorbei, wo ich vor Jahren Zeugin einer willkürlichen Attacke auf das Toupet eines Mannes geworden war. Und als wir dann auf die Hauptstraße bogen, griff Alan nach einer seiner legendären CD s und pustete vermeintlichen Staub von ihrer Unterseite, bevor er sie verheißungsvoll in seinen neuen, hochmodernen CD -Spieler schob, den mein Vater ihm letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte.
    Es war ein Lied über einen deprimierten Mann und seine Sehnsucht nach einem Mädchen und ihrer selbstlosen Liebe. Wir stimmten mit ein, als die zweite Zeile erklang, kaperten die Stimmung– den schmerzlichen Ton– mit unserem begeisterten Gequietsche, und sogar die Haare an Alans Unterarmen richteten sich auf vor, wie ich zu dem Zeitpunkt dachte, unbeschreiblichem Vergnügen.
    Doch an der Stelle, nachdem Mandy aufgetaucht war und » gab, ohne zu nehmen«, schaltete Alan die Musik plötzlich aus. Er sagte, wir würden es verderben, und dann redete er die restliche Fahrt über nicht mehr mit uns. (Später erzählte mir mein Vater, dass es in Alans Ehe Probleme gab, oder vielmehr hatte er Probleme in die Ehe gebracht und zwar in Form einer sexy Friseurin aus Millendreath. Ihr Name war Mandi.)
    Sie erwarteten uns am Ende der Einfahrt, alle vier, wie eine zusammengewürfelte Streikpostenkette, doch statt Plakaten und Spruchbannern hielten sie große Gläser und eine Kanne Pimm’s in den Händen. Sie teilten sich eine selbstgedrehte Zigarette, die wir zuerst schon für einen Joint hielten, aber bald stellten wir fest, dass das gar nicht sein konnte, denn schließlich hatte meine Mutter ihr Top noch an.
    » Was für ein lausiger Empfang ist das denn bitte?«, rief mein Bruder, als er aus dem Wagen sprang, und alle fingen an zu lachen, als hätte er soeben den lustigsten Witz der Welt gemacht, als sei die Selbstgedrehte doch ein Joint gewesen.
    Wir versuchten, Alan zu

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