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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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auf die Decke.
    Vardaman späht hinter Pas Bein hervor, sein Mund ist weit offen, aus seinem Gesicht ist alle Farbe gewichen, in seinen Mund hinein, als habe er die Zähne in sein Fleisch gegraben und sauge das Blut aus seinem Gesicht. Langsam, rückwärts, mit runden Augen bewegt er sich vom Bett weg, sein bleiches Gesicht verschmilzt mit der Dämmerung wie ein Stück Papier, das auf eine sich verdunkelnde Wand geklebt ist, und dann ist er aus der Tür.
    Pa beugt sich im Halbdunkel über das Bett; seine bucklige Silhouette hat etwas Eulenhaftes, etwas zerzaust Gefiedertes, Verdrossenes, Ingrimmiges, darin eine Weisheit lauert, die zu tief oder zu träge ist, selbst für Gedanken.
    «Die verdammten Jungen», sagt er.
    Jewel, sage ich. Über uns treibt eintönig und grau der Tag hin, verbirgt die Sonne hinter einem Hagel grauer Speere. Im Regen dampfen die Maultiere ein wenig, sie sind mit gelbem Schlamm bespritzt, das außen angespannte versucht, sich mit schlitternden Sprüngen am über den Graben ragenden Straßenrand zu halten Das überhängende Bauholz glänzt stumpf gelb, ist mit Wasser vollgesogen und schwer wie Blei, in steilem Winkel hängt es über dem gebrochenen Rad in den Graben; über die zersplitterten Speichen und um Jewels Knöchel strudelt ein gelbes Rinnsal, weder Wasser noch Erde, kurvt mit der gelben Straße weder Erde noch Wasser hügelabwärts und löst sich in einer strömenden Masse von dunklem Grün weder Erde noch Himmel auf. Jewel, sage ich  
    Cash kommt an die Tür, die Säge in der Hand. Pa steht neben dem Bett mit krummem Rücken und hängenden Armen. Er wendet den Kopf, das schlaffe Profil; sein Kinn sackt langsam in sich zusammen, während er den Priem am Gaumen entlangschiebt.
    «Sie ist tot», sagt Cash.
    «Sie ist gegangen und hat uns zurückgelassen», sagt Pa. Cash sieht ihn nicht an. «Wie weit bist du?», fragt Pa. Cash antwortet nicht. Er tritt ein, die Säge in der Hand. «Hältst dich wohl besser ran», sagt Pa. «Musst dein Möglichstes tun, wo die andern beiden jetzt unterwegs sind.» Cash sieht auf ihr Gesicht nieder. Er hört gar nicht, was Pa sagt. Er nähert sich nicht dem Bett. Er bleibt in der Mitte des Zimmers stehen, die Säge ans Bein gelehnt, die schweißnassen Arme leicht mit Sägemehl überstäubt, das Gesicht ruhig. «Wenn’s für dich knapp wird, kommt sicher einer morgen rüber und hilft dir», sagt Pa. «Vernon vielleicht.» Cash hört nicht hin. Er sieht auf ihr friedliches strenges Gesicht nieder, das in die Dämmerung hinüberblasst, als sei das Dunkel ein Vorbote des letzten Dunkels, des Grabs, bis das Gesicht schließlich losgelöst auf dem Dunkel zu schwimmen scheint, leicht wie das Abbild eines welken Blatts. «Es gibt genug Christenmenschen, die dir helfen», sagt Pa. Cash hört nicht hin. Nach einer Weile wendet er sich ab, ohne Pa anzusehen, und geht aus dem Zimmer. Dann beginnt die Säge wieder zu raspeln. «Sie helfen uns in unserm Leid», sagt Pa.
    Das Raspeln der Säge klingt gleichmäßig, geübt, ohne Hast. Es rührt das verebbende Licht auf, sodass mit jedem Zug ihr Gesicht ein wenig mehr zu einem Ausdruck des Lauschens und Wartens zu erwachen scheint, als zähle sie die Züge. Pa sieht auf das Gesicht nieder, auf das schwarze Gewirr von Dewey Dells Haar, die ausgebreiteten Arme, den umklammerten Fächer, der jetzt reglos auf der dunklen Decke liegt. «Du machst jetzt wohl besser Abendbrot», sagt er.
    Dewey Dell rührt sich nicht.
    «Steh jetzt auf und mach Abendbrot», sagt Pa. «Wir müssen bei Kräften bleiben. Und Doktor Peabody wird ziemlich hungrig sein nach dem weiten Weg. Und Cash muss schnell essen und wieder an die Arbeit gehn, damit er rechtzeitig fertig wird.»
    Dewey Dell steht auf, setzt mühsam die Füße auf den Boden. Sie sieht auf das Gesicht hinunter. Es liegt wie ein blasser Bronzeabguss auf dem Kissen, nur in den Händen ist noch so etwas wie ein Anflug von Leben: ein verkrümmtes, knorriges Stillliegen, eine verausgabte, aber noch nicht endgültig versiegte Kraft, von der sich Müdigkeit, Erschöpfung, Schinderei noch nicht ganz gelöst haben; als zweifelten sie sogar jetzt noch an der Wirklichkeit dieser Ruhe, bewachen sie geduckt und mit geiziger Wachsamkeit diesen Stillstand, von dem sie nicht wissen, ob er von Dauer ist.
    Dewey Dell bückt sich, zieht die Decke unter ihren Händen hervor und breitet sie über sie bis zum Kinn, streicht sie glatt bis ganz unten und zieht sie zurecht. Dann geht sie, ohne Pa

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