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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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verschwindet; alles eins, doch keins von beiden, beide jedes und doch keins. Ich kann sehen, wie mein Lauschen sich zu ihm hin entrollt, ihn streichelt und seiner klaren Form nachspürt – Fessel, Hüfte, Schulter und Kopf; Geruch und Geräusch. Ich habe keine Angst.
    «Gekocht und gegessen. Gekocht und gegessen.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Dewey Dell
    Er könnte so viel für mich tun, wenn er nur wollte. Er könnte alles für mich tun. Es ist, als ob alles in der Welt für mich in einem Kübel voller Eingeweide wär und man sich wundern muss, wie’s darin überhaupt noch Platz für etwas anderes sehr Wichtiges geben kann. Er ist ein großer Kübel voller Eingeweide, und ich bin ein kleiner Kübel voller Eingeweide, und wenn es in einem großen Kübel voller Eingeweide keinen Platz mehr gibt für etwas anderes Wichtiges, wie kann es da Platz in einem kleinen Kübel voll Eingeweide geben. Aber ich weiß, dass es da ist, denn Gott hat den Frauen ein Zeichen dafür gegeben, wenn etwas Schlimmes passiert ist.
    Es ist ja nur, weil ich allein bin. Wenn ich es nur fühlen könnte, dann wär’s anders, weil ich dann nicht allein wär. Aber wenn ich nicht allein wär, würde jeder es wissen. Und er könnte so viel für mich tun, und dann wär ich nicht allein. Dann könnte ich ganz gut allein sein.
    Ich würde ihn zwischen mich und Lafe kommen lassen, wie Darl zwischen mich und Lafe gekommen ist, und darum ist Lafe auch allein. Er ist Lafe, und ich bin Dewey Dell, und als Mutter starb, musste ich aus mir heraus und über mich und Lafe und Darl hinaus, um zu trauern, weil er so viel für mich tun könnte und es nicht weiß. Er weiß es nicht einmal.
    Von der hinteren Veranda kann ich die Scheune nicht sehn. Dann dringt das Raspeln von Cashs Säge aus dieser Richtung her. Es ist, als wär ein Hund draußen, der immer wieder ums Haus läuft und vor jeder Tür stehn bleibt und wartet, dass man ihn einlässt. Er sagte: Ich mach mir mehr Sorgen als du, und ich sagte: Du weißt nicht, wie das ist, sich solche Sorgen zu machen, dass ich mir keine machen kann. Ich versuche es, aber ich kann nicht lange genug denken, um mir Sorgen zu machen.
    Ich zünde in der Küche die Lampe an. Der Fisch, in zerfetzte Stücke gehackt, blutet sich still in der großen Pfanne aus. Ich stelle sie schnell in den Schrank und lausche in den Flur. Sie hat zehn Tage zum Sterben gebraucht, vielleicht weiß sie nicht, dass es vorbei ist. Vielleicht will sie nicht gehn, bis Cash. Oder vielleicht, bis Jewel. Ich nehme die Schüssel mit dem Gemüse vom Schrank und den Brotbacknapf vom kalten Herd und bleib stehn und seh zur Tür.
    «Wo ist Vardaman?», fragt Cash. Im Lampenlicht sehn seine mit Sägemehl überstäubten Arme wie mit Sand bestreut aus.
    «Ich weiß nicht. Ich hab ihn nicht gesehn.»
    «Peabodys Gespann ist durchgegangen. Sieh zu, dass du Vardaman findest. Das Pferd wird sich von ihm bändigen lassen.»
    «Gut. Sag ihnen, sie sollen zum Essen kommen.»
    Ich kann die Scheune nicht sehn. Ich habe gesagt, ich weiß nicht, wie man sich Sorgen macht. Ich weiß nicht, wie man weint. Ich hab’s versucht, aber ich kann nicht. Nach einer Weile kommt das Geräusch der Säge wieder herüber, dunkel kommt es im Staubdunkel über den Boden gekrochen. Dann kann ich ihn sehn, wie er am Brett entlang hin und her geht.
    «Ihr kommt jetzt zum Essen», sage ich. «Sag’s ihm.»
    Er könnte alles für mich tun. Und er weiß es nicht. Er ist seine Eingeweide, und ich bin meine. Und ich bin Lafes Eingeweide. So ist das. Ich weiß nicht, warum er nicht in der Stadt geblieben ist. Wir sind Leute vom Land und nicht so gut wie die Leute aus der Stadt. Ich versteh nicht, warum er nicht geblieben ist. Jetzt kann ich das Scheunendach sehn. Die Kuh steht unten am Weg und muht. Als ich mich umdrehe, ist Cash weg.
    Ich bringe die Buttermilch rein. Pa und Cash und er sitzen am Tisch.
    «Wo ist der große Fisch, den der Junge gefangen hat, Schwester?», fragt er.
    Ich stelle die Milch auf den Tisch. «Ich hatte doch nie die Zeit, ihn zu kochen.»
    «Einfach nur Steckrüben sind reichlich wenig für einen Mann meiner Größe», sagt er. Cash isst. Rund um seinen Kopf hat der Hut einen Schweißrand in sein Haar gedrückt. Sein Hemd ist fleckig und verschwitzt. Er hat sich Hände und Arme nicht gewaschen.
    «Hättest dir die Zeit eben nehmen müssen», sagt Pa. «Wo ist Vardaman?»
    Ich gehe zur Tür. «Ich kann ihn nicht finden.»
    «Na komm, Schwester», sagt er. «Mach dir

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