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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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Armen raufläuft, und dann kann ich rausgehn aus der Box.
    Ich kann ihn nicht finden. Im Dunkeln, im Staub, an den Wänden entlang, ich kann ihn nicht finden. Das Heulen macht so viel Lärm, ich wünschte, es würde nicht so viel Lärm machen. Dann finde ich ihn im Wagenschuppen, unter einer Staubschicht, und laufe über den Hof auf die Straße, der Stock hüpft auf und nieder auf meiner Schulter.
    Sie beobachten mich, als ich angerannt komme, zucken zurück, schnaubend, mit rollenden Augen, wollen nach hinten ausweichen, reißen an den Zügelknoten. Ich schlage zu. Ich kann hören, wie der Stock zuschlägt; ich kann sehn, wie er ihre Köpfe trifft, das Brustblatt, und manchmal treffe ich sie gar nicht, wenn sie sich aufbäumen und sich wieder nach vorn werfen, aber ich bin froh.
    «Du hast meine Ma umgebracht!»
    Der Stock zerbricht, sie bäumen sich und schnauben, ihre Hufe donnern laut auf den Boden; laut, weil es Regen gibt und die Luft vorm Regen sich nicht regt. Aber er ist noch lang genug. Ich laufe hierhin und dahin, während sie sich auf die Hinterhufe heben und an den Zügelknoten reißen, und schlage zu.
    «Du hast sie umgebracht!»
    Ich schlage auf sie ein, immer wieder, sie drehen sich rasend in einem weiten Kreis, der Buggy dreht sich auf zwei Rädern und kommt nicht vom Fleck, als ob er am Boden festgenagelt wär, und auch die Pferde kommen nicht vom Fleck, es ist, als wären sie mit den hinteren Hufen in die Mitte einer wirbelnden Scheibe geschmiedet.
    Ich renne im Staub. Ich kann nichts sehn, renne im blind machenden Staub, in dem der Buggy, auf zwei Räder gekippt, verschwindet. Ich schlage zu, der Stock trifft auf den Boden, prallt hoch, ich schlage in den Staub, dann wieder in die Luft, und der Staub zieht schneller die Straße runter, als wenn ein Auto ihn aufgewirbelt hätte. Und dann kann ich heulen, als ich den Stock ansehe. Er ist bis zu meiner Hand abgebrochen, nicht länger als ein Stück Brennholz, das mal ein langer Stock war. Ich werfe ihn weg und kann heulen. Jetzt ist es nicht mehr so laut.
    Die Kuh steht kauend im Scheunentor. Als sie mich auf den Hof kommen sieht, muht sie, das Maul voll Grünfutter, die Zunge schlappt hin und her.
    «Ich melk dich nicht. Ich mach für die überhaupt nichts mehr.»
    Beim Vorübergehn höre ich, wie sie sich umdreht. Und als ich mich umdrehe, steht sie hinter mir, mit ihrem süßen heißen rauen Atem.
    «Hab ich nicht gesagt, ich tu’s nicht?»
    Sie stupst mich an und schnaubt. Tief innen stöhnt sie, ihr Maul ist geschlossen. Ich wehre sie mit der Hand ab und fluche, wie Jewel es immer tut.
    «Hau ab.»
    Ich bücke mich zur Erde und mache eine Bewegung, als ob ich nach ihr werfen will. Sie springt zurück, dreht sich um und bleibt stehen. Sie sieht mich an. Sie stöhnt. Sie geht bis zum Weg, bleibt wieder stehn und sieht den Weg hinauf.
    Es ist dunkel in der Scheune, warm, nach Tier riechend, still. Ich kann ruhig weinen und zum Hang hinaufsehn.
    Cash kommt zum Hang, hinkend, weil er mal vom Kirchendach gefallen ist. Er sieht zum Brunnen hinunter, dann die Straße hinauf und wieder zurück zur Scheune. Steif kommt er den Weg herunter, sieht sich die zerrissenen Zügelknoten an und den Staub auf der Straße und schaut dann die Straße hinauf, wo der Staub sich gelegt hat.
    «Ich hoffe, sie sind inzwischen an Tulls Haus vorbei. Das hoffe ich wirklich.»
    Cash macht kehrt und humpelt den Weg rauf.
    «Verflucht soll er sein. Ich hab’s ihm gezeigt. Verflucht soll er sein.»
    Ich weine jetzt nicht. Ich bin nichts. Dewey Dell kommt zum Hang und ruft mich: Vardaman. Ich bin nichts. Ich bin ruhig. Hörst du, Vardaman! Ich kann jetzt ruhig weinen, meine Tränen spüren und hören.
    «Da noch nicht. Da war’s noch nicht passiert. Er hat da drüben auf der Erde gelegen. Und jetzt macht sie sich dran, ihn zu kochen.»
    Es ist dunkel. Ich kann das Holz hören, die Stille: ich kenne sie. Aber keine Geräusche von etwas Lebendigem, nicht mal vom Pferd. Es ist, als ob das Dunkel es aus seiner Ganzheit in lauter unzusammenhängende Teile aufgelöst hat – Schnauben und Stampfen; Geruch von abkühlendem Fleisch und Ammoniakhaar; Trugbild eines in Einklang gebrachten Ganzen, geflecktes Fell und starke Knochen, und drinnen, losgelöst und geheimnisvoll und vertraut, ein Sein, das anders ist als mein Sein . Ich sehe, wie es sich auflöst: Beine, ein rollendes Auge, ein buntes Gefleck wie kalte Flammen – ich sehe, wie es auf dem Dunkel hintreibt, verblasst und

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