Als ich im Sterben lag (German Edition)
auf über dem Müll und treibt weiter. Wir blicken ihm nach, wie er stockt und einige Augenblicke langsam schaukelt, dort, wo früher die Furt war. Dann zieht er weiter.
«Heute Nacht könnte das Wasser anfangen zu fallen», sage ich. «Wartet einfach noch einen Tag.»
Da dreht Jewel sich auf dem Pferd zur Seite. Bis dahin hat er sich nicht gerührt, jetzt dreht er sich um und sieht mich an. Sein Gesicht ist grünlich, läuft dann rot an und wird wieder grün. «Scher dich verdammt noch mal wieder hinter deinen Pflug», sagt er. «Wer zum Teufel hat dich gebeten, uns nachzulaufen?»
«Ich hab’s nicht böse gemeint», sag ich.
«Halt die Klappe, Jewel», sagt Cash. Jewel sieht wieder aufs Wasser, mit knirschenden Zähnen, das Gesicht abwechselnd rot und grün und wieder rot. «Also», sagt Cash nach einer Weile, «was willst du tun?»
Anse sagt nichts. Er sitzt mit krummem Rücken da und macht mümmelnde Bewegungen mit dem Mund. «Wenn sie nicht unter Wasser wär, könnten wir rüberfahren», sagt er.
«Vorwärts», sagt Jewel und setzt das Pferd in Bewegung.
«Warte», sagt Cash. Er sieht auf die Brücke. Wir sehen ihn an, außer Anse und dem Mädchen. Sie sehn aufs Wasser. «Dewey Dell und Vardaman und Pa gehn besser zu Fuß über die Brücke», sagt Cash.
«Vernon kann ihnen ja helfen», sagt Jewel. «Und wir können sein Maultier vor unsere spannen.»
«Du nimmst mein Maultier nicht mit in dies Wasser», sage ich.
Jewel sieht mich an. Seine Augen sehen aus wie Scherben eines zerbrochenen Tellers. «Ich bezahl für dein verdammtes Maultier. Ich kauf es dir an Ort und Stelle ab.»
«Mein Maultier steigt nicht in dieses Wasser», sag ich.
«Jewel will sein Pferd nehmen», sagt Darl. «Warum bist du so ängstlich wegen deines Maultiers, Vernon?»
«Halt die Klappe, Darl», sagt Cash. «Du und Jewel auch, ihr beide.»
«Mein Maultier steigt nicht in dieses Wasser», sag ich.
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Darl
Er sitzt auf dem Pferd und funkelt Vernon voller Wut an, das hagere Gesicht bis zu den blassen starren Augen und darüber hinaus mit Röte übergossen. In dem Sommer, als er fünfzehn wurde, hatte er einen Anfall von Schlafkrankheit. Als ich eines Morgens die Maultiere füttern ging, waren die Kühe noch im Stall, und dann hörte ich, wie Pa zum Haus zurückging und ihn rief. Als wir zum Frühstück raufgingen, kam er uns mit den Melkeimern entgegen, und er torkelte, als ob er betrunken wär. Wir brachten die Maultiere in ihre Boxen und gingen aufs Feld hinaus, ohne ihn, weil er da beim Melken saß. Wir waren schon eine Stunde draußen, und er tauchte immer noch nicht auf. Als Dewey Dell mit unserm Mittagbrot kam, schickte Pa sie los, sie sollte Jewel suchen. Sie fanden ihn im Stall, er saß auf dem Melkschemel und schlief.
Von nun an hat Pa ihn jeden Morgen geweckt. Er schlief am Abendbrotstisch ein, und kaum waren wir mit Essen fertig, ging er zu Bett, und wenn ich dann auch kam, lag er immer schon da wie ein Toter. Trotzdem musste Pa ihn am Morgen wecken. Er stand zwar auf, war aber nie richtig bei Sinnen; er nahm Pas Schimpfereien und Vorwürfe ohne Widerworte hin, griff sich die Melkeimer und ging zur Scheune, und einmal fand ich ihn schlafend neben der Kuh, der Eimer stand halbvoll da, seine Hände hingen bis zu den Gelenken in der Milch, und sein Kopf war gegen die Flanke der Kuh gelehnt.
Von da an musste Dewey Dell das Melken besorgen. Er stand auf, wenn Pa ihn weckte, und machte alles, was wir ihm auftrugen, aber so, als wär er betäubt. Es war, als ob es ihn alle Kraft kostete, seine Arbeit zu tun, und als wär er ebenso ratlos wie alle andern.
«Bist du krank?», fragte Ma. «Fühlst du dich nicht gut?»
«Doch», sagte Jewel, «ich fühl mich ganz gut.»
«Er ist einfach faul, er will mich ärgern», sagte Pa, und Jewel stand da, schlief wahrscheinlich im Stehen.
«Also, bist du nun krank?», sagte Pa und weckte Jewel wieder auf, damit er antwortete.
«Nein», sagte Jewel.
«Du tust heute nichts und bleibst zu Hause», sagte Ma.
«Wo das ganze Feld unten gepflügt werden muss?», sagte Pa. «Wenn du nicht krank bist, was ist dann mit dir los?»
«Nichts», sagte Jewel. «Mit mir ist alles in Ordnung.»
«In Ordnung?», sagte Pa. «Du schläfst alle paar Minuten im Stehen ein.»
«Nein», sagte Jewel. «Mit mir ist alles in Ordnung.»
«Ich möchte, dass er heute zu Hause bleibt», sagte Ma.
«Ich brauch ihn aber», sagte Pa. «Es ist schon schwer genug, auch wenn wir uns
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