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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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alle ranmachen.»
    «Du musst so gut du kannst mit Cash und Darl zurechtkommen», sagte Ma. «Ich möchte ihn heute im Haus behalten.»
    Aber er wollte nicht. «Mit mir ist alles in Ordnung», sagte er und ging. Aber etwas war nicht in Ordnung mit ihm, jeder konnte das sehn. Er wurde immer dünner, und ich hab gesehn, wie er sogar beim Holzhacken einschlief, hab gesehn, wie das Beil immer langsamer rauf und runter ging, mit immer weniger Schwung, bis es im Hackklotz stecken blieb und er sich reglos im heißen Sonnenschein draufstützte.
    Ma wollte den Arzt holen, aber Pa wollte das Geld nur im äußersten Notfall ausgeben, und Jewel schien ja auch ganz in Ordnung zu sein, abgesehn von seiner Magerkeit und seiner Gewohnheit, jeden Augenblick einzuschlafen. Er aß mit gesundem Appetit, nur dass er über seinem Teller einschlief, ein Stück Brot auf halbem Weg zum Mund und die Kiefer noch kauend. Aber er schwor, es ginge ihm gut.
    Es war Ma, die Dewey Dell dazu überredete, ihm das Melken abzunehmen; sie entschädigte sie wohl irgendwie dafür, und sie fand eine Möglichkeit, auch die andern Arbeiten ums Haus, die Jewel immer vorm Abendbrot erledigt hatte, Dewey Dell und Vardaman aufzuladen. Oder sie machte sie selbst, wenn Pa nicht da war. Sie bereitete besondere Gerichte für ihn zu und versteckte sie vor den anderen. Damals ist mir wohl aufgegangen, dass Addie Bundren alles im Verborgenen tat, sie, die uns hatte beibringen wollen, dass in einer Welt, in der es Betrug und Täuschung gibt, nichts sonst sehr schlecht oder sehr wichtig sein kann, nicht einmal Armut. Und mitunter, wenn ich zu Bett gehen wollte, saß sie im Dunkeln neben dem schlafenden Jewel. Und ich wusste, dass sie sich für dies Täuschungsmanöver hasste und Jewel hasste, weil sie ihn lieben musste und darum dies Täuschungsmanöver notwendig war.
    Eines Nachts wurde sie krank, und als ich in die Scheune ging, um anzuspannen und zu Tull zu fahren, konnte ich die Laterne nicht finden. Ich erinnerte mich, dass ich sie am Abend am Nagel hatte hängen sehen, aber jetzt, um Mitternacht, war sie nicht da. Ich spannte also im Dunkeln an, fuhr los und kam kurz nach Tagesanbruch mit Mrs. Tull zurück. Und da hing die Laterne wieder am Nagel, so, wie ich sie in Erinnerung gehabt hatte, wo sie um Mitternacht aber nicht hing. Und dann, eines Morgens, kurz vor Sonnenaufgang, als Dewey Dell gerade beim Melken war, kam Jewel von hinten in die Scheune, durch das Loch in der Rückwand, in der Hand die Laterne.
    Ich sagte es Cash, und Cash sah mich an und ich ihn.
    «Weiber», sagte Cash.
    «Ja», sagte ich. «Aber wozu die Laterne? Und dann noch jede Nacht. Kein Wunder, dass er abmagert. Willst du ihm irgendwas dazu sagen?»
    «Bringt nichts», sagte Cash.
    «Was er jetzt macht, bringt auch nichts.»
    «Weiß ich. Aber er muss selber draufkommen. Gib ihm Zeit, er kapiert von ganz allein, dass es keine Eile hat, dass ihm nichts davonläuft. Dann kommt er auch wieder in Ordnung. Ich denk, wir sagen es niemandem.»
    «Finde ich auch», sagte ich. «Ich hab auch Dewey Dell gesagt, sie soll nicht drüber reden. Auf keinen Fall mit Ma.»
    «Nein. Mit Ma schon gar nicht.»
    Danach fand ich es richtig komisch: er benahm sich so verwirrt und brav und schlaftrunken und war dürr wie eine Bohnenstange und hielt sich für wer weiß wie schneidig. Ich überlegte, wer das Mädchen wohl war. Ich ging alle durch, die ich kannte und die möglicherweise in Frage kamen, aber mir fiel keine Bestimmte ein.
    «Es ist kein Mädchen», sagte Cash. «Es ist eine verheiratete Frau irgendwo aus der Gegend. Kein junges Mädchen riskiert so was und kann bis zum frühen Morgen. Das gefällt mir an der Sache nicht.»
    «Wieso?», sagte ich. «Eine Frau ist für ihn sicherer als ein junges Mädchen. Mehr Verständnis.»
    Er sah mich an und rang mit Augen und Worten um das, was er zu sagen versuchte. «Es sind nicht immer die sicheren Sachen auf der Welt, die einen jungen Kerl …»
    «Du meinst, das Sichere ist nicht immer das Beste?»
    «Das Beste, nein», sagte er und suchte wieder nach Worten.
    «Es ist nicht das Beste, was gut für ihn ist … Ein Junge, das ist er doch noch. Es ekelt einen, wenn man sich vorstellt … sich im Dreck von ’nem andern suhlen …» Das war’s, was er zu sagen versuchte. Wenn etwas neu und fest und hell ist, sollte es dafür etwas Besseres geben als nur sicher zu sein, denn das Sichere ist das, was die Leute schon so lange und immer wieder getan haben, dass

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