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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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hab genauso viel Respekt vor den Toten wie jeder anständige Mensch, aber man muss die Toten selbst respektieren, und die beste Art, einer Frau Respekt zu zeigen, die seit vier Tagen tot im Sarg liegt, ist, sie, so schnell man nur kann, unter die Erde zu bringen. Aber das wollten sie nicht.
    «Es wär nicht recht», sagt Bundren. «Aber natürlich, wenn die Jungen zu Bett gehn wollen, dann denk ich, muss ich wohl aufbleiben und hier bei ihr sitzen. Ich nehm ihr das nicht übel.»
    Als ich wieder runterging, hockten sie alle um den Wagen auf dem Boden. «Lass wenigstens den Kleinen ins Haus kommen, damit er ein bisschen Schlaf kriegt», sage ich. «Und du kommst besser auch mit», sag ich zu dem Mädchen. Ich wollte mich ganz gewiss nicht mit ihnen gemein machen und hatte dem Mädchen nichts getan, nicht dass ich wüsste.
    «Er schläft schon», sagt Bundren. Sie hatten ihm in einer leeren Box in der Tränkrinne ein Bett zurechtgemacht.
    «Na, dann kommst eben du mit», sag ich zu ihr. Aber sie sagt immer noch nichts. Sie hockten einfach da. Man konnte sie kaum sehn. «Was ist mit euch, Jungs?», sage ich.
    «Ihr habt einen harten Tag vor euch.» Nach einer Weile sagt Cash:
    «Vielen Dank. Wir kommen schon zurecht.»
    «Wir möchten Ihnen nicht verpflichtet sein», sagt Bundren. «Ich bin Ihnen aber sehr verbunden.»
    Also ließ ich sie da hocken. Wahrscheinlich waren sie nach vier Tagen daran gewöhnt. Aber Rachel fand sich nicht damit ab.
    «Es ist eine Schande», sagt sie. «Eine Schande ist das.»
    «Was hätte er tun sollen?», sage ich. «Er hat ihr sein Wort gegeben.»
    «Wer redet denn von ihm?», sagt sie. «Wer schert sich schon um ihn?», sagt sie weinend. «Ich wünschte bloß, dass du und er und alle Männer auf der Welt, die uns bei lebendigem Leib quälen und uns im Tod verhöhnen und uns kreuz und quer durchs Land karren –»
    «Nu, nu», sag ich. «Du bist ja ganz außer dir.»
    «Fass mich nicht an!», sagt sie. «Fass mich ja nicht an!»
    Aus denen soll ein Mann klug werden. Ich habe fünfzehn Jahre lang mit derselben Frau gelebt, und ich will verdammt sein, wenn ich aus ihr klug werde. Ich hab mir ’ne Menge Sachen vorgestellt, die zwischen uns kommen könnten, aber ich will verdammt sein, wenn ich mir je hätte träumen lassen, dass es eine Leiche sein könnte, eine Frau, die seit vier Tagen tot ist. Aber sie machen sich das Leben selber schwer, sie nehmen es nicht, wie’s kommt, wie ein Mann es macht.
    So lag ich da, hörte, wie es zu regnen anfing, dachte an die da unten, die um den Wagen hockten, und an den Regen auf dem Dach und an Rachel, wie sie weinte, bis mir nach einer Weile so war, als könnte ich ihr Weinen immer noch hören, obwohl sie eingeschlafen war, als könnte ich es sogar riechen, wo ich doch wusste, dass ich das nicht konnte. Ich konnte mich selbst dann nicht entscheiden, ob ich’s konnte oder nicht, oder ob ich einfach nur wusste, dass es war, was es war.
    Am nächsten Morgen ging ich also nicht zu ihnen runter. Ich hörte, wie sie anspannten, und als ich wusste, dass sie nun ungefähr fertig sein mussten und losfahren würden, ging ich zur Vordertür raus und die Straße runter Richtung Brücke, bis ich hörte, wie der Wagen aus dem Hof rausfuhr und in die Straße zurück nach New Hope einbog. Und als ich dann wieder nach Hause kam, fuhr Rachel auf mich los, weil ich nicht da gewesen war und sie nicht zum Frühstück geholt habe. Man wird aus ihnen nicht klug. Kaum entscheidet man sich zu glauben, dass sie meinen, was sie sagen, dann muss man nicht bloß seine Meinung ändern, sondern, verdammt, damit rechnen, dass man eins übergebraten kriegt dafür, dass man geglaubt hat, sie meinten es so.
    Aber es war immer noch so, als könnte ich es riechen. Und so beschloss ich, dass ich nichts roch, sondern einfach nur wusste, dass es da war, so wie man sich eben dann und wann täuschen lässt. Als ich aber zur Scheune ging, wurde mir alles klar. Ich trat in den Gang und sah etwas. Es kauerte sich zusammen, als ich näher kam; zuerst dachte ich, sie hätten einen aus der Familie zurückgelassen, aber dann sah ich, was es war. Ein Bussard. Er sah sich um, sah mich und stelzte mühselig, breitbeinig durch den Gang, die Flügel ein wenig eingeknickt, beobachtete mich erst über die eine Schulter, dann über die andere, wie ein alter kahlköpfiger Mann. Als er beim Tor ankam, setzte er zum Fliegen an. Er musste sich lange anstrengen, bis er es schaffte, vom Boden abzuheben, so

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