Als ich im Sterben lag (German Edition)
scheuert mit einer Handvoll Blätter an den beiden Schlammspritzern herum. Vor dem Sumpfdickicht sieht Jewels Pferd wie eine Flickendecke aus, die an einer Wäscheleine hängt.
Cash hat sich nicht bewegt. Wir stehen rings um ihn und halten Hobel, Säge, Hammer, Winkelmesser, Zollstock und Richtschnur hoch, während Dewey Dell in die Hocke geht und Cashs Kopf anhebt. «Cash», sagt sie. «Cash!»
Er öffnet die Augen und starrt von tief unten zu unseren umgekehrten Gesichtern hinauf.
«Hat es je einen solchen Unglücksvogel gegeben», sagt Pa.
«Sieh mal, Cash», sagen wir und halten die Werkzeuge hoch, damit er sie sehen kann. «Was hast du sonst noch ge- habt?»
Er versucht zu sprechen, rollt den Kopf hin und her und schließt wieder die Augen.
«Cash», sagen wir. «Cash.»
Er dreht den Kopf weg, weil er sich erbrechen muss. Dewey Dell wischt ihm den Mund mit dem nassen Saum ihres Kleids ab; dann kann er sprechen.
«Er meint sein Schränkeisen», sagt Jewel. «Das neue, das er zusammen mit dem Zollstock gekauft hat.» Er wendet sich um und geht. Vernon, noch immer in der Hocke, sieht ihm nach. Dann richtet er sich auf und folgt Jewel zum Wasser hinunter.
«Hat es je einen solchen Unglücksvogel gegeben», sagt Pa. Er ragt hoch über uns, die wir am Boden hocken. Er sieht aus wie eine von einem betrunkenen Karikaturisten aus zähem Holz unförmig geschnitzte Figur. «Es ist eine Schicksalsprüfung», sagt er. «Aber ich mach ihr keinen Vorwurf. Niemand soll sagen, ich mach ihr ’n Vorwurf draus.» Dewey Dell hat Cashs Kopf wieder auf die gefaltete Jacke gelegt, ihn ein wenig weggedreht vom Erbrochenen.
«Man könnte sagen, was ein Glück, dass es dasselbe Bein ist, das er sich schon mal gebrochen hat, als er damals von der Kirche runtergefallen ist», sagt Pa. «Aber ich mach ihr keinen Vorwurf.»
Jewel und Vernon stehen wieder im Fluss. Von hier sieht es so aus, als ob sie die Oberfläche überhaupt nicht aufrührten; es ist, als hätte sie beide mit einem einzigen Hieb durchtrennt und als ob ihre Torsi sich mit unendlicher lächerlicher Sorgfalt auf dem Wasser bewegten. Es sieht friedlich aus, wie ein Mechanismus, dem man lange Zeit zugesehen und zugehört hat. Als habe der geronnene Klumpen, der man selbst ist, sich aufgelöst in eine tausendfache ursprüngliche Bewegung, und als seien Sehen und Hören in sich blind und taub; Wut in sich ruhig vor Abgestumpftheit. Das nasse Kleid der hockenden Dewey Dell zeichnet für die nichtsehenden Augen dreier blinder Männer die den Säugetieren eigenen komischen Formen nach, welche die Horizonte und die Täler der Erde sind.
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Cash
Er war nicht im Gleichgewicht. Ich hab ihnen gesagt, wenn sie wollten, dass er beim Tragen oder Fahren richtig im Gleichgewicht ist, müssten sie
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Cora
Einmal unterhielten wir uns. Sie war nie sehr religiös gewesen, nicht einmal nach dem Sommer im Camp, als Bruder Whitfield mit ihrem Geist rang, sie von den andern absonderte und gegen die Eitelkeit ihrer sterblichen Seele kämpfte, und ich hab ihr viele Male gesagt: «Gott hat dir Kinder geschenkt zum Trost für dein schweres irdisches Los und als Zeichen Seines eigenen Leidens und Seiner Liebe, denn in Liebe hast du sie empfangen und geboren.» Das habe ich gesagt, weil sie die Liebe Gottes und ihre Pflicht Ihm gegenüber zu sehr als Selbstverständlichkeit nahm, und ein solches Verhalten ist Ihm nicht wohlgefällig. Ich sagte: «Er hat uns die Gabe verliehen, unsere Stimme zu Seinem ewigen Lob zu erheben», denn ich hatte gesagt, dass im Himmel mehr Freude über einen einzigen Sünder herrscht denn über hundert, die nie gesündigt haben. Und sie sagte: «Mein tägliches Leben ist das Eingeständnis meiner Sünde und meine Buße», und ich sagte: «Wer bist du, dass du urteilen willst, was Sünde ist und was nicht? Das Urteil darüber steht einzig dem Herrn zu; an uns ist es, Seine Barmherzigkeit und Seinen heiligen Namen vor allen, die mit uns sterblich sind, zu preisen», denn Er allein kann ins Herz sehn, und nur weil das Leben einer Frau in den Augen der Menschen rechtschaffen ist, kann sie nicht wissen, ob nicht doch eine Sünde in ihrem Herzen ist, wenn sie ihr Herz nicht dem Herrn öffnet und Seine Gnade empfängt. Ich sagte: «Nur weil du eine treue Ehefrau gewesen bist, bedeutet das nicht, dass keine Sünde ist in deinem Herzen, und nur weil du ein schweres Leben hast, bedeutet das nicht, dass der Herr in Seiner Gnade
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