Als ich im Sterben lag (German Edition)
Cashs Sachen rumgekramt», sagte Darl. Er sagte es so, als ob er’s aus der Zeitung vorlas. Als ob’s ihm persönlich so egal wär wie nur was. Jewel war jetzt zurückgekommen, er stand da und sah Anse mit seinen Marmoraugen an. «Cash wollte mit dem Geld das Grammophon von Suratt kaufen», sagte Darl.
Anse stand da, mit mümmelndem Mund. Jewel beobachtete ihn. Er hatte bisher noch mit keiner Wimper gezuckt.
«Das macht acht Dollar zusätzlich», sagte Darl in diesem Ton, als ob er bloß zuhört und ihn das Ganze einen feuchten Kehricht angeht. «Das reicht noch immer nicht für ein Gespann.»
Anse sah Jewel kurz aus dem Augenwinkel an und sah dann wieder auf den Boden. «Gott weiß, dass es noch nie ’n Mann gegeben hat …», sagt er. Sie sagten immer noch nichts. Sie sahen ihn nur an, warteten, und er ließ den Blick zu ihren Füßen gleiten und an ihren Beinen rauf, aber nicht höher. «Und das Pferd», sagt er.
«Was für ein Pferd», sagte Jewel. Anse stand nur da. Ich will verdammt sein, aber wenn ein Mann es nicht schafft, seine Söhne in den Griff zu kriegen, dann sollte er sie von zu Hause wegjagen, ganz gleich, wie groß sie sind. Und wenn er das nicht kann, will ich verdammt sein, wenn er nicht selber geht. Ich will verdammt sein, wenn ich das nicht täte. «Du willst sagen, du hast versucht, mein Pferd einzutauschen?», sagt Jewel.
Anse steht mit hängenden Armen da. «Ich hab seit fünfzehn Jahren keinen einzigen Zahn im Mund», sagt er. «Gott weiß das. Er weiß, dass ich seit fünfzehn Jahren nicht die Nahrung gegessen hab, die Er für den Menschen bestimmt hat, damit er bei Kräften bleibt, und da hab ich mir ein bisschen was zusammengespart, einen Nickel hier, einen Nickel da, damit meine Familie nicht drunter leiden muss, wenn ich mir Zähne kaufe, mit denen ich die von Gott vorgesehene Nahrung essen kann. Ich hab das Geld hergegeben. Ich dachte, wenn ich ohne richtiges Essen auskommen muss, können meine Söhne ohne Reiten auskommen. Gott ist mein Zeuge.»
Jewel steht da, die Hände in die Hüften gestützt, und sieht Anse an. Dann sieht er weg. Er sieht hinaus übers Feld, sein Gesicht reglos wie ein Stein, als ob ein anderer über ein Pferd redet, das einem andern gehört, und er hört gar nicht zu. Dann spuckte er langsam aus, sagte «Zum Teufel», wandte sich ab, ging zum Gatter, band das Pferd los und setzte den Fuß in den Steigbügel; das Pferd ging schon im Schritt, während er sich noch in den Sattel schwang, und als er fest oben saß, preschte es die Straße hinunter, als wär das Gesetz hinter ihnen her. So verschwanden die beiden außer Sicht. Sie sahen aus wie ein gescheckter Wirbelsturm.
«Also dann», sage ich. «Du nimmst mein Gespann.» Aber er wollte nicht. Und sie wollten auch nicht bleiben, und der Junge jagte den ganzen Tag in der heißen Sonne hinter den Bussarden her, bis er fast ebenso verrückt war wie alle andern. «Lasst auf jeden Fall Cash hier», sagte ich. Aber das wollten sie nicht. Sie machten ihm aus Decken ein Lager auf dem Sarg, legten ihn darauf und seine Werkzeuge neben ihn, und wir schirrten meine Maultiere an und zogen den Wagen ungefähr eine Meile die Straße hinunter.
«Wenn wir dir hier im Weg sind», sagte Anse, «musst du es sagen.»
«Mach ich», sagte ich. «Aber hier steht er gut. Und auch sicher. Lasst uns jetzt zurückgehn und Abendbrot essen.»
«Ich dank dir schön», sagte Anse. «Wir haben ein bisschen was im Korb. Wir kommen zurecht.»
«Woher habt ihr das denn?», fragte ich.
«Wir haben’s von zu Hause mitgebracht.»
«Aber dann schmeckt es doch nicht mehr», sagte ich. «Kommt und esst was Warmes.»
Aber sie wollten nicht. «Wir kommen zurecht, ich bin sicher», sagte Anse. Also ging ich nach Hause und aß und brachte ihnen einen Korb mit Essen runter und versuchte noch einmal, sie zu überreden, ins Haus zu kommen.
«Ich danke sehr», sagte er, «aber wir kommen zurecht.» So ließ ich sie dann da; sie hockten um ein kleines Feuer und warteten, Gott weiß, worauf.
Ich ging nach Hause. Immer wieder dachte ich an die da unten und an den Burschen, der auf dem Pferd davongejagt war. Und das würde wohl das Letzte sein, was sie von ihm gesehn haben. Und ich will verdammt sein, wenn ich ihm einen Vorwurf mache. Nicht dafür, dass er sein Pferd nicht hergeben wollte, sondern dass er genug hatte von einem so verdammten Narren wie Anse.
Jedenfalls dachte ich an dem Abend so. Weil, ich will verdammt sein, wenn an so einem
Weitere Kostenlose Bücher