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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Faulkner
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folgte ihr nach hinten. Sie legte die Hand aufs Gittertürchen. «Da hinten ist nichts außer dem Schrank für die rezeptpflichtigen Medikamente», sagte ich. «Was möchten Sie?» Sie blieb stehen und sah mich an. Es war, als hätte sie einen Deckel weggenommen von ihrem Gesicht, ihren Augen. Es waren ihre Augen: stumm und hoffnungsvoll und mürrisch bereit, enttäuscht zu werden, alles gleichzeitig. Aber sie war in Not, in welcher auch immer, das konnte ich sehn. «Was für ein Problem haben Sie», fragte ich. «Sagen Sie mir nun, was Sie möchten. Ich bin ziemlich beschäftigt.» Ich wollte sie nicht drängen, aber man hat einfach nicht so viel Zeit wie die Leute draußen.
    «Das Problem, das Frauen haben», sagte sie.
    «Aha», sagte ich. «Ist das alles?» Ich dachte, vielleicht ist sie jünger, als sie aussieht, und es ist das erste Mal, und sie hat sich erschrocken, oder es ist mal ein bisschen unregelmäßig, wie es bei jungen Mädchen mitunter vorkommt. «Wo ist Ihre Ma?», fragte ich. «Haben Sie denn keine?»
    «Sie ist in dem Wagen da drüben», sagte sie.
    «Warum reden Sie denn nicht erst mit ihr darüber, bevor Sie zu einem Medikament greifen?», sagte ich. «Jede Frau könnte es Ihnen erklären.» Sie sah mich an, und ich sah sie an und fragte: «Wie alt sind Sie?»
    «Siebzehn», sagte sie.
    «Oh», sagte ich. «Ich dachte, Sie wären vielleicht …» Sie beobachtete mich. Aber wenn man nach den Augen geht, sehn sie alle aus, als hätten sie kein Alter und als wüssten sie ohnehin schon alles von der Welt.
    «Ist es zu regelmäßig oder nicht regelmäßig genug?»
    Sie sah mich nicht mehr an, aber sie rührte sich auch nicht. «Ja», sagte sie. «Ich glaub schon. Ja.»
    «Ja, was denn nun von beidem?», sagte ich. «Wissen Sie’s nicht?» Es ist ein Verbrechen und eine Schande, aber andererseits kaufen sie’s sonst bei jemand anderem. Sie stand da, sah mich nicht an. «Wollen Sie etwas, damit es aufhört?», fragte ich. «Ist es das?»
    «Nein», sagte sie. «Das ist es ja. Es hat schon aufgehört.»
    «Ja also, was –» Ihr Gesicht war ein wenig gesenkt und zeigte keine Regung, wie sie’s immer machen, wenn sie mit einem Mann zu tun haben, damit er nicht weiß, wo der Blitz das nächste Mal einschlägt. «Sie sind nicht verheiratet, oder?», sagte ich.
    «Nein.»
    «Aha», sagte ich. «Und wie lange ist es her, dass es aufgehört hat? Fünf Monate ungefähr?»
    «Keine zwei», sagte sie.
    «Also, ich habe nichts in meinem Laden, das Sie kaufen wollen, allenfalls einen Schnuller. Und ich rate Ihnen, den zu nehmen und nach Haus zu gehn und mit Ihrem Pa zu reden, er soll zusehn, dass er jemanden findet, der Ihnen eine Heiratslizenz besorgt. War das alles, was Sie wollten?»
    Aber sie stand einfach da und sah mich nicht an.
    «Ich hab Geld, ich kann Sie bezahlen», sagte sie.
    «Ist es Ihr eigenes, oder war er wenigstens Manns genug, es Ihnen zu geben?»
    «Er hat es mir gegeben. Zehn Dollar. Er hat gesagt, das reicht.»
    «Tausend Dollar würden in meinem Laden nicht reichen und zehn Cent auch nicht», sagte ich. «Sie nehmen jetzt meinen Rat an und gehn nach Hause und reden mit Ihrem Pa oder Ihren Brüdern, wenn Sie welche haben, oder dem ersten besten Mann, dem Sie auf der Straße begegnen.»
    Aber sie rührte sich nicht. «Lafe hat gesagt, ich kann es im Drugstore kriegen. Er hat gesagt, ich soll Ihnen ausrichten, dass er und ich niemals irgendjemandem sagen würden, dass Sie es uns verkauft haben.»
    «Und ich wünschte mir, Ihr sauberer Lafe wär selber hergekommen, das wünsche ich mir wirklich. Ich weiß nicht, aber dann hätte ich vielleicht ein bisschen Achtung vor ihm. Und Sie können jetzt zu ihm gehen und ihm das von mir bestellen – wenn er nicht schon auf halbem Weg nach Texas ist, woran ich nicht zweifle. Ich, ein anständiger Drogist, der seinen Laden geführt und eine Familie ernährt hat und seit sechsundfünfzig Jahren in dieser Stadt Kirchenmitglied ist. Ich hätte große Lust, selber mit Ihren Leuten zu reden, wenn ich nur wüsste, wo ich sie finden kann.»
    Sie sah mich jetzt an, ihre Augen und ihr Gesicht waren wieder ausdruckslos, wie vorhin, als sie vorm Schaufenster stand und ich sie zum ersten Mal sah. «Ich hab das nicht gewusst», sagte sie. «Er hat gesagt, ich könnte was im Drugstore bekommen. Er hat zwar gesagt, man würde es mir vielleicht nicht geben wollen, aber wenn ich zehn Dollar hätte und sagen würde, dass ich niemals keinem Menschen je etwas sagen

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