Als ich im Sterben lag (German Edition)
sich nur in die Zeit hineinweben könnte. Das wär schön. Es wär schön, wenn man sich einfach in die Zeit hineinweben könnte.
Wir bringen die Schienen wieder an, die Schnüre, ziehen sie fest, der Zement quillt in dicken hellgrünen zähen Wülsten zwischen den Schnüren hervor, und Cash sieht uns ruhig, mit diesem unergründlichen fragenden Blick an.
«Das stabilisiert den Knochen», sage ich.
«Ja», sagt Cash. «Ich bin dir dankbar.»
Dann drehen wir uns alle auf dem Wagen um und sehen ihm entgegen. Er kommt hinter uns die Straße herauf mit hölzernem Rücken und hölzernem Gesicht, nur von den Hüften abwärts sich bewegend. Er kommt herauf ohne ein Wort, mit seinen blassen harten Augen in dem abweisenden düsteren Gesicht und steigt auf den Wagen.
«Jetzt geht es bergauf», sagt Pa. «Ihr müsst wohl aussteigen und zu Fuß gehn.»
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Vardaman
Darl, Jewel, Dewey Dell und ich gehen hinter dem Wagen die Steigung rauf. Jewel ist zurückgekommen. Er ist die Straße raufgekommen und auf den Wagen gestiegen. Er war zu Fuß. Jewel hat kein Pferd mehr. Jewel ist mein Bruder. Cash ist mein Bruder. Cash hat sich das Bein gebrochen. Wir haben Cashs Bein in Zement gepackt, damit er’s nicht bewegen kann und es ihm nicht weh tut. Cash ist mein Bruder. Jewel ist auch mein Bruder, aber er hat kein gebrochenes Bein.
Jetzt sind es fünf, hoch in kleinen hohen schwarzen Kreisen.
«Wo sind sie nachts, Darl?», frage ich. «Wenn wir nachts in der Scheune sind, wo sind sie dann?»
Die steile Straße wächst in den Himmel. Dann kommt die Sonne oben hinter der Straße herauf, und die Maultiere und der Wagen und Pa gehn auf der Sonne. Man kann nicht zu ihnen hinsehn, wie sie langsam auf der Sonne gehn. In Jefferson steht sie rot auf den Schienen hinter der Schaufensterscheibe. Die Schienen glänzen und laufen rundherum. Dewey Dell sagt das.
Heute Abend will ich sehn, wo sie bleiben, während wir in der Scheune sind.
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Darl
«Jewel», sage ich, «wessen Sohn bist du?»
Der Wind kam von der Scheune her, darum legten wir sie unter den Apfelbaum, wo der Mond den Apfelbaum mit Lichttupfen sprenkeln kann und die langen schlummernden Flanken, hinter denen sie dann und wann redet in heimlich hervorquellendem, leise rieselndem Gemurmel. Ich nahm Vardaman mit, er sollte es hören. Als wir näher kamen, sprang die Katze herunter und huschte mit Silberpfoten und Silberaugen in den Schatten.
«Deine Mutter war ein Pferd, aber wer war dein Vater, Jewel?»
«Du gottverdammter Lügner und Hurensohn.»
«Nenn mich nicht so», sage ich.
«Du gottverdammter Lügner und Hurensohn.»
«Du sollst mich nicht so nennen, Jewel.» Im hohen Mondlicht sehen seine Augen wie Flecken aus weißem Papier aus, die auf einen hochfliegenden kleinen Football geklebt sind.
Nach dem Abendbrot begann Cash ein wenig zu schwitzen. «Es wird ein bisschen heiß», sagte er. «Wahrscheinlich, weil die Sonne den ganzen Tag draufgeschienen hat.»
«Sollen wir Wasser drübergießen?», fragen wir. «Das kühlt vielleicht ein wenig.»
«Ich wär dankbar», sagte Cash. «War wohl wirklich die Sonne, die draufgeschienen hat. Ich hätte dran denken sollen und es zudecken.»
«Wir hätten dran denken müssen», sagten wir. «Du konntest das nicht ahnen.»
«Ich hab nicht gemerkt, dass es heiß wurde», sagte Cash. «Ich hätt’s merken müssen.»
Wir gossen Wasser darüber. Sein Bein und sein Fuß unterhalb des Zements sahen aus, als wären sie gekocht worden. «Wird es nun besser?», fragten wir.
«Ich bin euch dankbar», sagte Cash. «Es tut gut.»
Dewey Dell wischt ihm mit dem Saum ihres Kleids das Gesicht ab.
«Versuch, ein bisschen zu schlafen», sagen wir.
«Ja», sagt Cash. «Ich bin euch wirklich dankbar. Es fühlt sich jetzt wieder gut an.»
Jewel, sage ich. Wer war dein Vater, Jewel?
Geh zum Teufel. Geh zum Teufel .
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Vardaman
Sie lag unter dem Apfelbaum, und Darl und ich gehen über den Mond, und die Katze springt runter und läuft weg, und wir können sie innen im Holz hören.
«Hörst du?», sagt Darl. «Halt das Ohr ganz nah ran.»
Ich geh mit dem Ohr ganz nah ran und kann sie hören. Ich weiß nur nicht, was sie sagt.
«Was sagt sie, Darl?», frage ich. «Mit wem spricht sie?»
«Mit Gott», sagt Darl. «Sie bittet Ihn, Er soll ihr helfen.»
«Was soll Er denn tun?», frage ich.
«Sie bittet Ihn, dass er Er sie vor den Augen der Menschen versteckt.»
«Warum
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