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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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angeben konnte, als Beweis, dass sie etwas Besonderes war und Lila im Vergleich dazu ein Nichts.
    Die alte, in dieser Kindheitserinnerung wurzelnde Wut sticht zu wie ein Messer, Lila ist selbst überrascht, wie heftig. Sie faucht los: »Na, wenn Sie unbedingt wollen, dann ist sie eben Miss Spock und das verdammte Rain Girl in einer Person; aber was wissen Leute wie Sie schon von ihr? Ich bin diejenige, die mit ihr leben musste, die zusehen musste, wie sie immer ihren Willen durchsetzte, und wir anderen waren scheißegal. Und ich bin diejenige, die für den Rest ihres Lebens mit dem verzogenen Ding geschlagen ist.«
    »Ich nehme an, Sie sind sehr hübsch«, antwortet Henry seelenruhig auf die Schimpftirade, die wieder die Blicke der Gäste ringsum angezogen hat.
    »W arum sagen Sie das?«, fragt Lila argwöhnisch.
    »W eil Sie anscheinend nicht besonders nett sind. Sie verlassen sich wohl ganz auf Ihr Aussehen.« Lila ist so geschockt, dass ihr der Unterkiefer herunterklappt; vom Nachbartisch hört sie leisen Beifall.
    »Ach, Sie können mich mal, ich hab keinen Bock auf diesen Scheiß!« Lila versagt die Stimme, die letzten Worte schluchzt sie nur noch wütend hervor und stürmt aus dem Café. Sie verschwindet im anonymen Marks & Spencer’s weiter oben an der Straße, geht zu den Umkleidekabinen und heult, schlägt mit dem Kopf gegen den Spiegel. »W arum bin ich so ein verdammtes Biest?«, fragt sie ihr hinter Tränen verschwimmendes Spiegelbild. Die Frau dort mit der perfekten neutralen Kleidung wirkt irgendwie wie ein Irrtum. Die ganze Wand entlang reiht sich eine Kabinentür an die andere, Lila kommt sich vor wie Alice im Wunderland und überlegt, welche der Türen an dem endlos langen Korridor sie wählen soll. Wenn sie nur die richtigen Kleider anprobieren könnte, wenn sie nur das richtige Leben anprobieren, durch die richtige Tür gehen könnte, dorthin, wo die normalen Menschen leben, wo sie sich nicht mehr verbittert, verletzt, vernarbt fühlen würde! Lila weint stumm vor sich hin, und die makellos Gekleidete im Spiegel äfft sie grausam nach, macht sich lustig über ihren Schmollmund und die nassen, geschwollenen Augen. Lila kann sie anstarren, so lange sie will, sie lässt sich nicht vertreiben. Ihr tut die Frau leid, sie ist hässlich, innen wie außen. Lila wird klar, dass sie nicht nur mit Yasmin geschlagen ist, sondern auch mit sich selbst.

Garten in der Wildnis
     
     
     

     

     
    Ich heiße Yasmin Murphy, und manchmal schwirrt mir so vieles, was ich sagen will, im Kopf herum, dass ich das Gefühl habe, ich platze, wenn ich es nicht herauslassen kann, und dann rede ich, rede und rede, bis ich sehe, wie die Leute unruhig werden und aufs Klo gehen wollen. Heute weiß ich, dass ich aufhören und Pausen machen muss, damit auch andere etwas sagen oder aufs Klo gehen können, obwohl ich noch nicht alles losgeworden bin, aber als ich klein war, habe ich einfach immer weitergeredet, ohne Punkt und Komma, und geschrien und um mich geschlagen, wenn ich unterbrochen wurde.
    Aber manchmal habe ich überhaupt nichts zu sagen, weil mir so viel durch den Kopf geht, dass ich mich nicht entscheiden kann, was ich davon mitteilen möchte. Dann denke ich es nur, und meine Gedanken sind so übermächtig, dass ich alles stehen und liegen lasse, womit ich eigentlich gerade beschäftigt bin. Darum bevorzuge ich beruhigende Tätigkeiten, deren Ablauf sich immer wiederholt und daher keine Aufmerksamkeit erfordert, wie zum Beispiel im Kreis gehen oder abspülen.
    Ich glaube nicht, dass es in meinem Kopf sehr ordentlich aussieht, denn dazu müsste mein Verstand so klein sein, dass man ihn aufräumen, übersichtlich halten und für alles einen Platz finden kann. Wie unser Garten, der neun Quadratmeter Holzbohlenbelag auf der Terrasse, zehn Quadratmeter Gras, acht Quadratmeter Blumenbeete einschließlich Walnussbaum und einen Quadratmeter Gemüsebeet hat, das Asif und ich zusammen angelegt haben; es ist einfach, unseren Garten in Ordnung zu halten, denn alles größtenteils oder völlig Irrelevante wie Unkraut oder Bierdosen, die von der Straße hereingeworfen werden, kann ich auf dem Komposthaufen oder in der Mülltonne entsorgen. Wenn ich in unserem Garten herumlaufen will, in einem Kreis um den Rasen oder manchmal in geraden Linien auf der Terrasse hin und her, brauche ich nicht sehr weit zu gehen, bis ich wieder dort ankomme, wo ich losgegangen bin. Aber mein Verstand ist nicht wie ein aufgeräumter, übersichtlicher

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