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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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ihn zu beunruhigen oder zu motivieren, obwohl er insgeheim den Unbekannten bewundert, der die Sache ernst genug nimmt, um Jubelarien dieser Art zusammenzuschreiben. Der Text verschwimmt zu einer einzigen Reihe von Phrasen: Intelligenter, nicht härter arbeiten, Erwartungen übertreffen, initiativ statt inaktiv, Lösungen suchen, nicht Probleme, motivierende Schubkraft der Emotionen, Betonung auf dem Positiven, alles ist möglich, Nummer eins im Team, Optimismus schafft Chancen …
    Ravi von den Finanzdiensten schlendert vorbei, im Gehen sein Memo lesend. Dann knüllt er es zusammen und wirft es beeindruckend zielsicher in Asifs Papierkorb. »Gott sei gedankt für das heilige Memo, was, Murphy?«, sagt er. »Dabei hatte ich vor, den ganzen Tag Däumchen drehend auf meinem Arsch zu sitzen, aber jetzt, nachdem ich das Ding gelesen habe, werde ich den Rest des Nachmittags keine Anstrengung scheuen, den Shareholder-Value zu steigern und unermüdlich die Kunden zu entzücken.«
    Asif grinst schüchtern und zuckt die Achseln. »Ich auch.« Er wagt es nicht, sein eigenes Memo wegzuwerfen, obwohl es ihn in den Fingern juckt, es Ravi mit seinem dramatischen Korbwurf gleichzutun, aber Hector ist viel weniger umgänglich als Ravis Chef in den Finanzdiensten. »Kommst du heute Mittag mit in den King’s Head? Zwei Essen zum Preis von einem, Fleischvergiftung gratis«, fragt Ravi.
    Asif schüttelt den Kopf, auch wenn wahrscheinlich schon das halbe Team im Pub sitzt. »T ut mir leid, Ravi, da gibt’s noch zu viel Shareholder-Value, den ich steigern muss.« Er deutet auf den Berg in seinem Korb. »Ich hol mir nur von unten ein Sandwich.« Obwohl er sich deshalb ein bisschen schämt, ist Asif insgeheim stolz darauf, dass er viel zu tun hat – seine Arbeit ist das einzige, worin er gut ist. Er versteht sich weder auf das innerbetriebliche Taktieren, noch zeigt er den richtigen, kumpelhaften Sportsgeist im Umgang mit den Kollegen, er zeichnet sich in nichts aus, was ihn je in die Führungsriege bringen oder seine Beförderung beschleunigen würde, aber als Arbeitsroboter ist er unschlagbar. Er hat einen akribischen Blick fürs Detail, seine Zahlen sind absolut wasserdicht, seine Tabellen klar und informativ, und bei Excel macht ihm keiner etwas vor.
    Initiativ statt inaktiv, Lösungen suchen, nicht Probleme, denkt Asif auf dem Weg zum Lift; die Phrasen fressen sich fest, diese Strategietypen in der Geschäftsführung sind schlauer als ihm lieb ist. Um das Mysterium der Schönen zu ergründen, die da gewesen ist oder auch nicht, kann er jetzt nichts mehr unternehmen, ohne noch mehr peinliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und auch an Yasmins starrer Ruhe kann er jetzt nichts ändern, deshalb versucht er es auf dem Weg nach unten in die Kantine noch einmal bei Lila. Ihr Telefon klingelt, und er hinterlässt ihr die x-te Nachricht. Er probiert es auch im Plattenladen, aber der vornehm näselnde, leicht bekiffte Besitzer sagt nur: »Sie ist nicht da.« Die lakonische Kürze kann heißen, dass sie schnell mal für ein paar Minuten weg oder aber seit Tagen nicht erschienen ist.
    »Ich bin ihr Bruder; geht es ihr gut?«, fragt Asif und hofft, Lila reißt ihm nicht den Kopf ab, weil er sie mit seiner allgegenwärtigen Sorge vor ihrem Arbeitgeber in Verlegenheit bringt. Als er fünfzehn war, ist er auf dem Pausenhof einmal zu zwei größeren Jungs hinübergegangen und hat sie aufgefordert, seine kleine Schwester in Ruhe zu lassen; bei dieser mutigen Tat hatte er sich fast in die Hosen gemacht, aber Lila war hinterher stocksauer gewesen; die Jungs hatten sie nicht schikaniert, sondern angebaggert, und damals hatte er auf einen Schlag ihren Ruf als coole Braut zerstört. Wieder mal hatte sich Asif als Blödmann erwiesen.
    »Ihr geht’s suu-per; lieber rot als tot, oder Kumpel?« Nach dieser kryptischen Bemerkung legt der Plattenmensch auf. Asif steigt im Erdgeschoss aus dem Lift und starrt sein Handy an, als verstünde es den rätselhaften Hinweis vielleicht besser als er. Lieber rot als tot? Vielleicht hatte sich Lila wieder mal die Haare gefärbt? Sie wechselte ständig die Haarfarbe, normalerweise am Ende einer bestimmten Stil- oder Lebensphase, was meistens auch mit dem Ende einer Beziehung zu tun hatte. Ob sie mit Wesley Schluss gemacht hatte? Asif überlegt, ob er ihn anrufen soll, entscheidet sich dann aber dagegen. Lila ist mit ihren Freunden in der Vergangenheit nicht besonders feinfühlig umgesprungen; manchmal hat sie ihnen

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