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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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Mikeys verständnisloser Blick nötigt sie zu einer Erklärung: »Meine kleine Schwester.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du eine Schwester hast – ist sie berühmt oder was?«, erkundigt sich Mikey.
    »Nein, sie ist Autistin«, antwortet Lila offen; sein Interesse stört sie. Dann kommt sie sich gemein vor, dass sie Yasmin in diese bequeme Schublade steckt und nichts darüber sagt, was für ein großartiger Mensch sie ist. Sie hätte wenigstens hinzufügen können, dass Yasmin Asperger hat, was immer noch besser klingt als Autismus. Ach, scheiß drauf, es ist nicht ihre Sache, Yasmins Spezialbegabungen herumzuposaunen, dafür sorgt die schon selbst.
    »Cool!«, sagt Mikey unpassenderweise, bevor er merkt, was er gesagt hat. »Ich meine, es ist natürlich nicht cool, dass sie Autistin ist, aber dass sie ins Fernsehen kommt. Sag Bescheid, wenn die beim Filmen den Laden brauchen können – keine Publicity ist schlechte Publicity, du weißt schon, der ganze Scheiß.«
    Lila lächelt schwach und geht zu einem Kunden hinüber, der ihr aus der Weltmusikabteilung zuwinkt. Als sie eine halbe Stunde später zur üblichen Mittagspause aufbricht und im Hinterzimmer ihre Jacke zuknöpft, hört sie einen von Mikeys Kifferfreunden: »Mir gefällt dein neues Babe, Mann. So niedlich und auf Hochglanz wie aus ’nem Ralph-Lauren-Katalog – da will man am liebsten gleich alles durcheinanderwühlen. Was ist eigentlich aus dieser Gothic-Braut geworden, die vor ein paar Monaten hier gearbeitet hat?«
    »Das ist sie«, antwortet Mikey. »Dasselbe Mädchen, anderes Outfit. Und ein paar Wochen davor war sie wieder jemand anders, hatte blaue Haare und so. Die wechselt die Kostüme, als hätten wir nonstop Halloween. Bisschen verkorkst, schätz ich mal, sieht aber wahnsinnig gut aus! Wenn sie keinen Freund hätte, würde ich total auf sie abfahren.« Lila fühlt sich zugleich verteidigt und bloßgestellt, geschmeichelt und herabgesetzt. Leise öffnet sie die Hintertür und verschwindet.
    Sie geht zum Café auf der anderen Straßenseite hinüber und sieht dort schon den Fernsehmenschen, der auf sie wartet. Man erkennt ihn sofort; alle anderen Gäste sind sorgfältig gestylt, aber er sieht in seinem Dufflecoat aus wie ein Erdkundelehrer. Er kneift die Augen zusammen wie in tiefer Konzentration oder Verwirrung. Lila hatte eigentlich vorgehabt, ihn sofort zu beschimpfen, aber umgeben von so viel brandheißer Mode, Killer-Absätzen und Designerbrillen wirkt er herzzerreißend verletzlich. Er muss Mitte zwanzig sein, nicht viel älter als sie. Sie winkt ihm zu, und als er sie nur ausdruckslos ansieht und sich nicht die Mühe macht zurückzuwinken, verzieht sie das Gesicht und geht zur Theke, einen Kaffee und ein Sandwich holen.
    »Hi, sind Sie Kalila Murphy?«, fragt er, als sie sich auf den Stuhl ihm gegenüber setzt.
    »Nur ihre böse Zwillingsschwester. Nennen Sie mich Lila, das tun alle. Sie sind also Henry Taylor?« Sie streckt die Hand aus, und als er auch diese Geste ignoriert, zieht sie die Augenbrauen hoch und lässt ihre Hand mit ihrem ganzen Gewicht auf den Tisch fallen, dass es klatscht.
    »Danke, dass Sie gekommen sind«, sagt Henry. »Möchten Sie einen Kaffee?«
    Lila verneint, schließlich hat sie schon einen, den sie nun betont laut zu schlürfen beginnt. Sie sieht Henry nicht in die Augen, da sie gleich rücksichtslos grob und gemein zu ihm sein wird und kein Mitleid aufkommen lassen will, nichts, was sie daran hindern würde, ihm zu sagen, was sie denkt. Sie bemerkt, dass er seinen Kaffee fast ausgetrunken hat, dass seine Finger, die die Tasse umfasst halten, lang und schmal sind und bei den Nägeln, die genau wie die ihren gnadenlos kurz geschnitten sind, leicht verjüngt. Pianistenfinger, hätte ihre Mutter dazu gesagt; auch Yasmin hat solche Finger und spielt Klavier, mit einer Präzision, die man fast als leidenschaftlich beschreiben könnte, allerdings ohne jedes Gefühl, es sei denn, sie wird gestört und bricht verärgert ab.
    Zwischen ihnen breitet sich ein unangenehmes Schweigen aus, das Henry zögernd bricht. »Nochmals danke für Ihr Kommen, Lila«, sagt er. »Ich weiß das sehr zu schätzen.« Als Lila nichts erwidert, redet er weiter; er spricht vor Verlegenheit etwas zu schnell und ist rührend bemüht zu gefallen, was gar nicht dazu passt, dass er ihr vorhin weder zuwinken noch die Hand geben wollte. »Ich weiß, dass Sie selbst nicht gefilmt werden wollen, aber Ihre Meinung ist für uns von großem Wert, Sie

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