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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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Garten, sondern eine riesige, unordentliche Wildnis, voller unwichtiger Dinge, voller Gegenden, wo man herumwandern und sich verirren kann. Manchmal verirre ich mich tatsächlich und falle in die Vergangenheit zurück. Dann sitze ich wie eine Zuschauerin in meinem Gedächtnis und beobachte mich bei einem vergangenen Ereignis, und manchmal unterhalte ich mich mit mir selbst, mit allen meinen vergangenen Ichs, denen ich in meiner Erinnerung begegne. Diese Gespräche kommen mir genauso wirklich vor wie die Gespräche mit anderen Menschen. Es ist, als hätte ich mir eine Freundin ausgedacht, nur habe ich nicht viel Fantasie, deshalb sind meine ausgedachten Freundinnen genauso wie ich.
    Weil in meinem Kopf eine so unordentliche Wildnis herrscht und ich deshalb auch entweder zu wenig oder zu viel rede, ist es mir immer schwergefallen, mich mit anderen anzufreunden, und als ich klein war, hatte ich überhaupt keine Freunde in meinem Alter. Aber ein Freund ist doch nur jemand, mit dem man redet und zusammen etwas macht, deshalb war meine Mum meine beste Freundin, und als sie starb, wurde Asif mein bester Freund. Lila war nie meine Freundin, weil sie nichts mit mir macht; wir mögen nämlich nicht dieselben Dinge, weil Lila insgesamt nicht sehr klug ist und als Kind manchmal richtig dumm war. Im Alter von acht Jahren hatte ich meinen letzten epileptischen Anfall, und ich erinnere mich, dass Lila bloß dastand und mich anstarrte; anstatt Hilfe zu holen, hat sie angefangen zu kreischen, so dass die Erwachsenen zu ihr gelaufen sind, und so haben sie mich dann gefunden. Mum hat gesagt, dass Lila Panik bekommen hat, was dummen Leuten passiert, wenn sie sich nicht erinnern können, was bei einem Unfall oder Notfall zu tun ist. Zwei Wochen später, als ich aus dem Krankenhaus kam, schnitt sich Lila die Pulsadern an einer Blechdose auf, aber ich habe keine Panik bekommen, weil ich erkannte, dass das ein Unfall oder Notfall war, und mich erinnern konnte, was zu tun war. Ich habe die Nummer des Notrufs gewählt, und obwohl ich nicht gern mit Fremden rede, habe ich unsere Adresse durchgegeben, und der Rettungswagen ist gekommen, und Lila wurde sofort versorgt, es ist nicht einmal eine größere Narbe zurückgeblieben. Alle haben gesagt, ich sei sehr tapfer gewesen, und ich habe für meine Geistesgegenwart eine Medaille bekommen. Lila war sauer, weil sie auch gern eine Medaille gehabt hätte.
    Vor Kurzem habe ich einen Film über einen schizophrenen Mathematikprofessor gesehen, der seinen besten Freund selbst erfunden und wirklich geglaubt hat, sein Freund sei so echt wie er selbst. Ich glaube, es wäre schön, sich seine eigenen Freunde zu erfinden, so gut und kreativ, dass sie einem echt vorkommen. Dann wäre man ein bisschen wie Gott, der Adam und Eva erschaffen hat, möglicherweise, weil er einsam war und jemanden haben wollte, der mit ihm redet und ihn beschäftigt (eigentlich finde ich Gott in diesem Fall gar nicht so kreativ, weil er Adam und Eva von einem Modell abgeleitet hat, seinem eigenen »Bild«, was bedeutet, dass sie aussehen wie er und nicht einzigartig sind). Ich bin weder fantasievoll noch schizophren, deshalb kann ich mir meine Freunde nicht selbst erfinden, aber manchmal habe ich einen Traum, der genauso realistisch ist wie das wirkliche Leben. Ich träume, dass ich im Bett liege und zusehe, wie die Schatten, die der Mond wirft, langsam über die Zimmerdecke wandern, und dann merke ich, dass ich träume und alles tun kann, was ich will. Also fliege ich in meinem Zimmer herum, wo alles ordentlich und vertraut ist, aber ich mache das Fenster nicht auf und fliege nicht hinaus, wo alles unordentlich und fremd ist.
    Ich mag diesen Traum, denn dort ist alles sehr übersichtlich und kontrolliert, und es gibt darin nichts Irrelevantes. Der Traum tröstet mich, denn er ist in der unordentlichen Wildnis meines Verstands wie ein ordentlicher Garten. Und weil meine Sehkraft langsam nachlässt, halte ich mich gern auf, wo Ordnung herrscht, denn da weiß ich, wo alles ist. Wie unser Garten ist dieser Traum für mich ein sicherer Ort.

Lösungen statt Probleme
     
     
     

     

     
    Asif macht sich Sorgen, nichts Ungewöhnliches, denn das ist von Kindheit an sein Normalzustand. Er macht sich Sorgen um Lila, von der er seit über zwei Wochen nichts gehört hat; er hat ihr auf den Anrufbeantworter gesprochen, aber sie hat nicht zurückgerufen. Eigentlich ist das gar nicht so ungewöhnlich, weil sie immer mal wieder Phasen hat, in

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