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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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sieht zu den Sternen hoch und sagt: »Und du hast behauptet, du würdest immer nur an dich denken!«
    »Ja, aber das war doch auch für mich ein Riesenspaß«, sagt Lila, die neben ihm sitzt und an den Resten von Marias inzwischen trockenen Scones herumkaut. »Ich hab seit Ewigkeiten nicht mehr so gelacht.«
    »Das war vielleicht das Netteste, was jemand in meinem ganzen Leben für mich getan hat«, sagt Henry. »Danke, Lila.«
    »Keine Ursache«, antwortet sie. »Ich wollte mich damit wohl entschuldigen oder so. Ich hab das Gefühl, dass du viel Zeit damit verbringen wirst, mir vieles zu verzeihen.«
    »Ich habe dich so gern, dass ich dich damit wohl manchmal ganz schön nerven werde«, sagt Henry. »Dann wirst du mir auch manches verzeihen müssen.«
    Er denkt über ihre letzten Sätze nach und richtet sich neben Lila auf. »Heißt das, ich darf dich jetzt doch als meine Freundin bezeichnen?«, fragt er.
    Statt zu antworten, blickt Lila nur in den Nachthimmel hoch. »W eißt du, was ich am Mondlicht so liebe? Es macht alles schwarz, weiß und grau. Schau dir mal die Büsche da drüben bei der Einfahrt an; die ganze Farbe, die unzähligen Details sind daraus verschwunden. Sie sind nur noch dunkle Umrisse vor einer Mauer. Ich habe versucht, bei Mondlicht zu malen, aber in Finchley geht das nicht; da gibt es zu viel Lichtverpestung durch die Straßenlampen.«
    »W arum hast du das Kunststudium abgebrochen?«, fragt Henry. »Das kommt mir völlig absurd vor, wo du das Malen doch so liebst.«
    »Ach, keine Ahnung.« Lila zuckt mit den Achseln. »Es ist ziemlich plötzlich passiert, ich hatte Zoff mit einer meiner Tutorinnen, eigentlich bloß deshalb, weil ich ihre Kritik nicht ertragen konnte. Da bin ich gegangen, und um wiederzukommen, habe ich mich nicht gut genug gefühlt. Ich war wohl nie sicher, ob ich meinen Platz wirklich verdient habe.«
    »Ich verstehe nicht viel von Kunst, aber alle deine Bilder, die du mir bisher beschrieben hast, klingen erstaunlich. Vielleicht ist es Zeit, dass du aufhörst, sie zu verbrennen und zu verstecken. Im Café bedienen ist gut und schön, damit finanzierst du deine Miete, aber wenn du beim Malen am glücklichsten bist, warum gehst du dann nicht an die Akademie zurück?«
    »W eil meine Bilder vielleicht nichts taugen«, platzt Lila heraus, über ihre Offenheit selbst überrascht. »Und dann habe ich gar nichts mehr.«
    »Na und?«, fragt Henry. »Ich spiele ein bisschen Gitarre. Zu einem zweiten Johnny Marr wird’s vielleicht nie reichen, aber das hält mich nicht davon ab, etwas zu tun, was mir Spaß macht. Wenn du nicht mit begeisterten Kritiken überhäuft wirst – na und? Davon solltest du dir die Liebe zum Malen nicht verderben lassen.«
    »Du verstehst mich nicht«, erklärt Lila schlichtweg. »Und ich weiß nicht, für wen du dich eigentlich hältst, dass du mir sagst, was ich mit meinem Leben anfangen soll, und dich als Berufsberater aufspielst. Ich hab’s dir schon mal gesagt, ich brauche deine Hilfe nicht und will ganz sicher nicht von dir gerettet werden.«
    »Mein Gott, du treibst einen zum Wahnsinn«, entgegnet Henry. »Ich versuche ja gar nicht, dich zu retten. Ich bin nicht kreativ wie du, aber eins weiß ich: Das Leben ist zu kurz, um sich nicht um das zu bemühen, was man liebt. Es wenigstens zu versuchen. Auch wenn man keine Ahnung hat, ob man Erfolg haben wird oder nicht. Warum, glaubst du, habe ich heute Nachmittag auf deiner Treppe gewartet und bin dir zu deiner Tür hinauf gefolgt?«
    »W eil du ein verdammt nerviger Kerl bist«, knurrt Lila. Dann wird ihre Stimme weicher: »Aber ich verzeihe dir, wenn du willst.«
    Henry legt ihr behutsam seine warme, trockene Hand in den Nacken und streichelt sie sanft. »Und wenn ich dich jetzt noch einmal zu küssen versuche, stößt du mich dann wieder weg? Oder habe ich beim dritten Anlauf Glück?«
    »Das wirst du schon sehen«, sagt Lila, hebt die Hand und streicht ihm die Haare aus den Augen.
    »Klingt immer noch ominös«, meint Henry. »Aber ich bin bereit, es zu riskieren.« Sie rücken näher zusammen und küssen sich in der feuchten Nachtluft, einander wärmend. Lila drängt sich immer dichter an ihn, bis sie in seinen Armen liegt, und schiebt die Hand in seine Jacke, um seine beruhigend feste Brust zu spüren. »Danke, Lila«, flüstert Henry zwischen den Küssen und streift dabei ihre Lippen mit den seinen, »danke, dass du mich nervig sein lässt. Danke, dass du dich mir öffnest.«

Hoffnung in der

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